«Vom Like oder Klick bis zum Kauf eines Buchs ist es ein weiter Weg.»
Das Buch habe Sie schon immer fasziniert, sagen Sie. Was ist daran so toll?
Urs Hunziker: Eine gute Frage. Am Verlegen mag ich vor allem das Zusammenbringen von Menschen im übertragenen Sinn. Da macht einer was Spannendes, und den bringt man mit Leuten zusammen, die das interessiert. Diese Vermittlungsfunktion bereitet mir Freude.
Dafür bräuchten Sie das Buch als Medium heute aber nicht mehr unbedingt. Und doch halten Sie es wohl kaum für ein Auslaufmodell.
Selbstverständlich nicht, auch wenn wir diese Diskussion seit Jahren führen. Ich mag Papier und finde, es gibt nichts Schöneres, als ein gut gemachtes Buch in den Händen zu halten. Ausserdem stelle ich fest, dass es selbst Bloggern, von denen es im Bereich Kochen ja einige gibt, so geht: Die sind ausschliesslich online unterwegs – und am Ende wollen sie trotzdem fast alle ein Buch machen. Es fehlt wohl eben doch etwas; das Abgeschlossene zwischen zwei Deckeln. Das Internet ist grenzenlos, während das Buch einen Anfang hat – und eben auch ein Ende. Es schafft Ordnung.
Blogger dürften Ihr Business ganz schön verändert haben.
Absolut. Seit sie vor ein paar Jahren plötzlich auftauchten, sind sie für uns auf diversen Ebenen relevant.
Auf welchen?
Sie sind Autoren, und wie gesagt: Die meisten wünschen sich irgendwann ein eigenes Buch. Wir bekommen sehr viele Anfragen. Blogger sind jedoch auch als Multiplikatoren interessant: Sie haben eine Community, die bei der Verbreitung eines Buchs helfen kann. Ausserdem glaube ich, dass Blogger verändert haben, wie wir das Essen sehen. Viele von ihnen sind fotografisch sehr stark.
Blogger liefern Ihnen das Gesamtpaket: Text, Bild, Konzept – alles da. Das muss für einen Verlag verlockend sein.
Nun gut, bei jedem anderen Projekt haben wir irgendwann auch alle Elemente beisammen. Der Prozess des Buchmachens bleibt also bestehen, die Aufgabe des Verlags ist es nach wie vor, alle Komponenten in eine Form zu bringen, die dem Inhalt angemessen ist. In der Zusammenarbeit mit einem Blogger müssen wir uns einzig nicht mehr ums Bildkonzept und die Umsetzung durch den Fotografen kümmern. Und der Blogger bringt eben eine Community mit. Wobei deren Grösse nichts darüber aussagt, ob ein Buch erfolgreich wird.
Nicht?
Nein. Vom Like oder Klick bis zum Kauf eines Buchs ist es ein weiter Weg. Ausserdem bloggen viele Schweizer auf Englisch und haben einen Grossteil ihrer Follower also im englischsprachigen Raum. Unser Markt hingegen ist deutschsprachig, hier haben wir unsere Vertriebsstrukturen und sind wir als Kochbuchverlag bekannt.
Zurück zu den Anfragen. Wie läuft das ab?
Ein wichtiger Teil sind die Autoren, mit denen wir langjährige Beziehungen pflegen, da ist es ein Geben und Nehmen, wir tauschen uns regelmässig aus. Der Rest hält sich die Waage: Wir bekommen täglich Angebote, gehen auf Wunschkandidaten aber auch selber zu.
Erinnern Sie sich an ein Beispiel?
Es ist verrückt; in vielen Fällen weiss ich gar nicht mehr, wie alles begann. Aber ich glaube, Tanja Grandits fragten wir an. Sie kochte damals noch im Thurgau und wurde als Insidertipp gehandelt. Mit ihr haben wir mittlerweile etliche Bücher gemacht und diskutieren gerade über ein weiteres. Bei Spitzenköchen kommt der Anstoss oft von uns – wobei es uns nicht immer gelingt, sie zu überzeugen. Andreas Caminada bearbeitete ich über längere Zeit, aber der wollte nie. (Lacht.)
Die Selektion liegt aber nicht bei Ihnen allein.
Nein, das Programm gestalte ich gemeinsam mit der Lektorin Monika Schmidhofer. Wir sind seit über 25 Jahren ein sehr gutes Team: Ich bin der Motor und schnell zu begeistern, sie schaut genau hin und hält den Finger auch mal auf Dinge, die ich nicht so gern sehe.
Welche Kriterien spielen bei Ihren Beschlüssen eine Rolle?
Das ist immer auch eine intuitive Geschichte, eine Frage des Bauchgefühls und der Erfahrung. Darüber hinaus stehen uns gewisse Instrumente zur Verfügung. Wir können in Onlineshops schauen, wie Produkte zu einem Thema laufen, oder in Suchmaschinen beobachten, wie oft ein Begriff abgefragt wird. Bei den Köchen ist neben dem Inhalt sicher die Popularität entscheidend. Am Ende treffen wir einfach eine Entscheidung, und jedes Buch ist ein Risiko, das in der Regel der Verlag trägt.
Apropos Entscheidung: Lagen Sie auch schon mal so richtig falsch?
Natürlich, mehrmals, wobei ich das gern verdränge. Mit 30 Jahren Erfahrung mache ich ein paar grundlegende Fehler nicht mehr, aber mit Sicherheit voraussagen, ob ein Buch erfolgreich wird, werde ich nie können. Ein Buch ist immer ein Abenteuer.
Ich will Sie nicht quälen, aber hätten Sie ein Beispiel?
(Lacht.) Lassen Sie mich überlegen. 2010 machten wir mit André Jaeger eins der schönsten Kochbücher, die wir je realisiert haben. Damals erwarteten wir, dass es ein Selbstläufer wird – was es leider nicht wurde. Diesem Buch hätte ich viel mehr Leser gewünscht. Dafür übertrafen die drei Bücher zum kulinarischen Erbe der Alpen von Dominik Flammer unsere Erwartungen deutlich, so wie auch seinerzeit das unscheinbare Werk von Annemarie Wildeisen «Fleisch sanft garen bei Niedertemperatur», von dem wir sagenhafte 220 000 Exemplare verkauften.
Ihre absatzstärkste Autorin ist die Australierin Donna Hay.
Ja, und sie ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich die Verlegerei nicht auf den Acht-Stunden-Tag im Büro beschränkt, sondern die Antennen ständig ausgefahren sind. Auch in den Ferien. Donna Hay entdeckte ich 2005, als ich bei Freunden in Australien zu Besuch war. Ich sah ihr damals aktuelles Buch, war sofort elektrisiert und schickte ein SMS an den Verlag: Man solle abklären, ob die Lizenz dafür noch zu haben sei. Ein SMS aus den Ferien gab den Ausschlag für eine halbe Million Bücher, die wir von ihr in der Zwischenzeit verkauft haben.