13.07.2018

Muntermacher aus dem Ofen

Text: Virginia Nolan – Fotos: z. V. g.
Molekularkoch und Tüftler Rolf Caviezel experimentiert neuerdings mit Kaffeemehl, einem Abfallprodukt der exotischen Bohne. Damit bäckt er ein Brot, das es in sich hat.
Ein Kilogramm wirkt wie vier bis acht Energydrinks
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Rolf Caviezel
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«Meine Experimente sind ein Gedankenanstoss, den auch andere aufgreifen und weiterspinnen dürfen

«Spielzimmer», nennt Rolf Caviezel seine Laborküche im Restaurant Station 1 in Grenchen. Hier experimentiert der Molekularkoch mit Lebensmitteln und Ingredienzen, die es werden könnten – Erde, zum Beispiel. Mit dem Rohstoff aus dem Boden feierte Caviezel in Österreich grosse Erfolge, hierzulande darf er seine Kreationen aber nicht auftischen, denn Erde ist in der Schweiz nicht als Lebensmittel zugelassen. Das gilt auch für die Gaumenfreude, an der Caviezel derzeit tüftelt: Kaffeemehl, mit dem er Brot bäckt. «Kaffeemehl entsteht als Abfallprodukt bei der Kaffeeproduktion und -aufbereitung», sagt Caviezel. «Es lässt sich auf zwei Arten gewinnen. Eine Möglichkeit ist, Kaffeesatz, der im Siebträger zurückbleibt, zu trocknen und anschliessend fein zu pulverisieren. In der zweiten Variante trocknen und mahlen wir Kaffeepulpa, das sind Fruchtfleischreste aus der Kaffeeproduktion, die sonst hauptsächlich im Abfall landen.» Den Kaffeesatz bezieht Caviezel von der Kaffeerösterei Turm, mit der er schon länger zusammenarbeitet, die Fruchtfleischreste kommen von Bio-Kaffeebauern in Peru. «Bio ist in dieser Angelegenheit essenziell», sagt der Koch, «wir arbeiten hier mit Teilen der Pflanze, die keine Reste von Spritzmitteln enthalten dürfen.»

Sein Brotprojekt betreibt Caviezel gemeinsam mit Helmut Jungwirth und Fritz Treiber, zwei Wissenschaftlern des Geschmackslabors an der Universität Graz, das Trio hat bereits für mehrere kulinarische Versuche zusammengespannt. Das Speed-Brot, wie es seine Schöpfer nennen, besteht aus einer Mischung von Weiss- und Ruchmehl, wobei das dunklere Mehl dominiert. Pro Kilogramm Mehl mischt Caviezel entweder 80 bis 100 Gramm aufbereiteten Kaffeesatz oder maximal 150 Gramm gemahlene Kaffeepulpa bei. «Das Brot wird wunderbar dunkel und entfaltet beim Backen ein wunderbares Aroma», schwärmt er. In Wien hat der Experimentalkoch mit seiner neusten Kreation bereits Premiere gefeiert und sie im Rahmen  einer wissenschaftlichen Veranstaltung 500 Apothekern zum Dinner serviert. «Wir reichten das Brot mit Schneckenleberkäse», sagt Caviezel, «das ist sensationell angekommen.» Das Speed-Brot habe es aber in sich: «Es putscht einen brutal auf. Ein Laib von einem Kilogramm wirkt, je nachdem, ob wir es mit Kaffeesatz oder -pulpa herstellen, so stark wie vier bis acht Energydrinks.» Wer ein schwaches Herz hat, greift also lieber zum Standard-Brotkorb.

Massentauglich ist das Kaffeebrot damit schon einmal nicht, und auch den Bürokraten in Bern dürfte es Kopfzerbrechen bereiten. Als Brot kann Caviezel sein Gebäck nicht anmelden – weil es der Konsument nicht bedenkenlos verspeisen kann, ohne dabei die empfohlene Tagesdosis von 300 Milligramm Koffein zu überschreiten, aber auch, weil es mit dem Kaffeemehl eine nicht offiziell als Lebensmittel zugelassene Ingredienz enthält. Das alles hält Caviezel aber nicht vom Weitertüfteln ab, wie er sagt: «Bei den Insekten hatten wir anfänglich dieselben Hürden, jetzt sind sie als Lebensmittel zugelassen und entdeckt worden. Auch Erde hat, zumindest auf österreichischen Tischen, den kulinarischen Durchbruch geschafft. Meine Experimente sind vor allem ein Gedankenanstoss, den auch andere aufgreifen und weiterspinnen dürfen.» Und: Gastronomen, die nun selbst Lust hätten auf Experimente mit Kaffeemehl, dürften sich jederzeit bei ihm melden, sagt Caviezel.

Gastronomen, die Interesse an Kaffeemehl oder Fragen zu seiner Verarbeitung haben, dürfen sich an dieser Stelle bei Rolf Caviezel melden.