«Wir müssen nachhaltiger produzieren, damit es in Zukunft noch Kaffee gibt.»
Was ist die Aufgabe einer Head of Sustainability?
Sarah Sot: Ich bin dafür verantwortlich sicherzustellen, dass wir unsere gesellschaftliche Verantwortung als Unternehmen wahrnehmen, und dafür, uns fit für die Zukunft zu machen. Im Anbau, bei der Produktion und schliesslich beim Verkauf beschäftige ich mich mit Umweltthemen, sozialer Gerechtigkeit, Abfallmanagement oder Fragen im Umgang mit der Klimaerwärmung. Als Leiterin muss ich den Überblick behalten und die wichtigsten Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen erkennen, die wir beeinflussen und angehen wollen. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung.
Überprüfen Sie das Einhalten der Massnahmen von der Firmenzentrale aus oder vor Ort in den Anbaugebieten?
Es gehört zu meinem Job, dass ich möglichst oft unsere Anbaugebiete besuche, zum Beispiel Honduras, Peru oder Brasilien. Das war mir von Anfang an wichtig. Mir reicht es nicht, allgemeine Rapporte zu lesen. Ich will aus erster Hand hören, was Kaffeebauern und -bäuerinnen denken, welche Bedürfnisse sie haben und welche Massnahmen funktionieren oder nicht. Dabei habe ich viel gelernt.
Zum Beispiel?
Man kann Nachhaltigkeit nicht nur am Reissbrett planen. Auch wenn sie noch so gut gemeint ist. Das habe ich besonders bei einem Besuch in Brasilien erfahren müssen. Wir hatten ein tolles Nachhaltigkeitsprojekt, inklusive der Finanzierung, anzubieten. Allerdings hätten die Produzenten und Produzentinnen ihre Anbaumethoden dafür möglicherweise anpassen müssen. Sie waren grundsätzlich interessiert, sagten dann aber ab. Das hat mich zuerst überrascht. Dann erklärten sie mir aber, dass sie erst seit zwei Jahren mit uns zusammenarbeiten und in ähnlichen Projekten schlechte Erfahrung gemacht hatten. Das Risiko der Umstellung war ihnen noch zu gross. Sie fragten mich: Was passiert, wenn ihr plötzlich nicht mehr mit uns arbeiten möchtet? Sie hatten absolut recht. Das zeigte mir: Es braucht bei der Zusammenarbeit ein langfristiges Engagement, kleine Schritte zu Beginn und viel Vertrauen.
Wie schaffen Sie Vertrauen?
Wir versuchen, nah bei den Bäuerinnen und Bauern zu sein. Wo möglich, übernachten wir direkt auf den Kaffeefarmen, auch mal mit den Farmtieren neben uns, oder bei den Produzenten und Produzentinnen zu Hause. So sind wir gleich in einer lockereren Atmosphäre und es kommt zu vielen persönlichen Gesprächen mit ihnen und ihren Familien, etwa beim gemeinsamen Frühstück. Unser CEO Raphael Gugerli ist regelmässig dabei. Er hat mehrmals unter praller Hitze oder bei Regen auf dem Feld geschuftet. So erfuhr er, wie anstrengend der Anbau von Kaffee ist und wie viel Handarbeit dafür nötig ist. Der Zugang zu den Produzenten und Produzentinnen war so gleich viel leichter.
Was ist zurzeit die grösste Herausforderung im Bereich Nachhaltigkeit in der Kaffeebranche?
Auch wir spüren die Inflation und einen Kostenanstieg. Der Preis für Dünger ist geradezu explodiert. Mit den steigenden Lebensmittelpreisen in den Anbauländern sind auch Arbeitskräfte teurer. Von ihnen gibt es gleichzeitig in einigen Regionen immer weniger. Das spüren die Produzentinnen und Produzenten und somit auch wir. Die Konsumentinnen und Konsumenten sind beim Kaffee preissensibel. Sie haben sich an einen gewissen Kaufpreis beim Kaffee gewöhnt. Kaffee ist aber ein Rohstoff, der vom Anbau bis zum Getränk in der Tasse viel Wert generiert. Das vergisst man manchmal am Regal. Deshalb ist es uns wichtig, die Geschichten der Menschen hinter dem Produkt zu erzählen.
Ist man da nicht in einem Dilemma? Investitionen in die Nachhaltigkeit verursachen Kosten, die den Kaffee für den Konsumenten, für die Konsumentin teurer machen.
Das ist so. In vielen Produktionsländern fehlen Rahmenbedingungen, wie wir sie in der Schweiz kennen. Faire Löhne, ein funktionierendes Gesundheitssystem oder der Schutz von vulnerablen Gruppen wie Frauen, Kindern oder älteren Menschen sind oft nicht gegeben. Möchten wir das als Unternehmen sicherstellen, entstehen dadurch Kosten, die bei uns normalerweise der Staat trägt. Zusätzlich werden durch den Klimawandel kurzfristig Kosten für die Folgeschäden und notwendige Anpassungen zur Transformation anfallen. Aber wir sehen unser Engagement in der Nachhaltigkeit als Investition in die Zukunft. Wir müssen nachhaltiger produzieren, damit es in Zukunft noch Kaffee gibt. Deshalb ist es wünschenswert, wenn im Gesetz Vorschriften verankert sind, die dafür sorgen, dass jene Anbieterinnen und Anbieter, die in die Nachhaltigkeit investieren, nicht benachteiligt werden. Damit gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen für alle gewährleistet sind.