11.10.2017

Nahe am Puls

Interview: Tobias Hüberli – Fotos: Njazi Nivokazi
Thomas Wandres vermittelt Gastronomen und Hoteliers die passende Versicherung. Danach fängt seine Arbeit erst richtig an.
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«Je grosszügiger ein Unternehmen mit seinen Mitarbeitern umgeht, desto grosszügiger sind die Mitarbeiter mit dem Unternehmen.»

70 Prozent Ihrer Kunden stammen aus der Gastronomie. Wie ist das Schweizer Gastgewerbe versichert?

Thomas Wandres: Bei den Personalversicherungen wie etwa der Krankentaggeld- oder der Unfallversicherung schreibt der Landesgesamtarbeitsvertrag ein Minimum vor. Weil die Ressourcen in der Branche knapp sind, gehen nicht viele darüber hinaus, ganz nach dem Motto: so wenig wie möglich, so viel wie nötig. In anderen Bereichen, etwa der Sachversicherung, sind Gastronomie- oder Hotelbetriebe hingegen ganz normal versichert. So wie alle, die etwas besitzen.

Wie lohnend sind Restaurants für die Versicherungsgesellschaften?
Das Gastgewerbe ist sicher keine Zielbranche. Im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen sind die Schadensfrequenz und damit der administrative Aufwand markant höher. Das hat historisch dazu geführt, dass die Versicherer eher mit der angezogenen Handbremse fahren, wenn es darum geht, neue, auf die Gastronomie bezogene Produkte zu schaffen.

Sie werden als Broker von den Versicherungsgesellschaften bezahlt. Können Sie überhaupt unabhängig arbeiten?
Wir sind dem Bundesamt für Privatversicherungen unterstellt. Da gibt es klare Regeln. Bevor wir mit einem Kunden zusammenarbeiten, legen wir zudem offen, was wir verdienen, in Prozent und Franken. Die Entschädigung ist übrigens stark reguliert. Es ist nicht so, dass einzelne Versicherungsgesellschaften deutlich mehr bezahlen und uns so monetär steuern können. Wir müssen unabhängig arbeiten, darauf beruht unsere Daseinsberechtigung.

Nehmen Sie jeden Kunden?
Wenn jemand anruft, schauen wir uns die Situation an. Bei uns braucht ein Betrieb eine gewisse Grösse, damit wir kostendeckend für ihn arbeiten können. Dabei ist die Lohnsumme eines Unternehmens relevant. Ein Gastronomiebetrieb muss etwa 30 Mitarbeiter haben, damit die Erträge ausreichen, um die von uns bereitgestellten Dienstleistungen zu finanzieren. Allerdings gibt es viele Broker, die sich auf kleinere Betriebe spezialisiert haben und gute Arbeit leisten. Jeder findet einen Versicherungsbroker, wenn er einen sucht.

Wieso sollte ein Gastronom die Dienste eines Brokers in Anspruch nehmen?
Es gibt für ihn keine schlauere Lösung. Wir sind darin geübt, die geeigneten Produkte zu finden, kennen den Markt besser als er. Nach einer Beratung hat ein Kunde tiefere Prämien und eine bessere Leistung, in jedem Fall.

Wie gehen Sie vor?
Wir schauen immer das gesamte Portfolio an, lassen keinen Stein auf dem anderen. Der wiederkehrende Prozess des Hinterfragens ist wichtig. Der Versicherungsmarkt ist sehr dynamisch. Ist ein Betrieb seit zehn Jahren beim gleichen Versicherer, ist vielleicht eine gute persönliche Beziehung entstanden, seine Versicherungsprodukte sind aber ganz sicher längst überholt. Wir analysieren auch bei bestehenden Kunden spätestens nach drei Jahren die Situation von Grund auf neu und nehmen wo möglich Verbesserungen vor.

Sie fungieren als eine Art Treuhänder, sagen Sie.
Eine Versicherung ist schnell abgeschlossen. Danach verwalten wir die Verträge und begleiten unsere Kunden administrativ und im Schadensfall. Wir sehen uns als Verwalter und Begleiter auf längere Sicht. In der Regel meldet der Kunde seine Schäden an uns, wir kümmern uns um den Rest, schauen etwa, dass alle Unterlagen da sind oder die Taggeldabrechnung stimmt. Unsere Aufgabe ist es, den Kunden, aber auch die Versicherungen weitestgehend zu entlasten.

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Im Gastgewerbe gibt es zwei Pensionskassen, wie beurteilen Sie deren finanzielle Situation?
Da haben wir das Tal durchschritten. Mit Gastrosocial hat das Gastgewerbe eine kerngesunde Kasse mit einem Deckungsgrad von über 120 Prozent. Es ist eine der wohl am besten gedeckten Pensionskassen überhaupt. Die Hotela hatte einige Probleme, ist heute aber auch wieder über 100 Prozent Deckungsgrad. Allerdings kann man den Zustand einer Pensionskasse nicht einfach an ihrem Deckungsgrad festmachen.

Sondern?
Dazu müsste man sehr viele Bereiche beleuchten, etwa die technischen Zinssätze oder das Verhältnis zwischen Rentnern und Aktiv-Versicherten. Für uns ist relevant, wie ein Versicherer Krisen meistert, zum Beispiel jene von 2008, als man massive Verwerfungen im Finanzmarkt verkraften musste. Rückblickend haben Gastrosocial und Hotela ihre Sache gut gemacht. Zudem sind 90 Prozent der Arbeitnehmer in diesen Gefässen mit dem Obligatorium versichert. Da ist eigentlich alles geregelt. Über die Umwandlungssätze haben wir im September abgestimmt, und die Mindestverzinsung wird vom Bundesrat festgelegt. Das Risiko für den Arbeitnehmer ist bei beiden Kassen sehr gering. Wir empfehlen beide.

Wieso entstehen in der Gastronomie derart viele Schadensfälle?
Als Schaden gilt ja nicht nur, wenn etwas kaputtgeht, sondern auch, wenn ein Mitarbeiter nicht zur Arbeit erscheint und dieKrankentaggeldversicherung einspringen muss. In der Gastronomie ist es teilweise üblich, dass die Krankentaggeldversicherung bereits ab dem ersten Absenztag zum Tragen kommt. Das ist sicher einer der Gründe.

Gibt es weitere?
Im Restaurant zu arbeiten, ist anstrengend, körperlich wie auch psychisch. Die Menschen werden einfach öfter krank. Die Absenzquote in der Gastronomie ist deutlich höher als in vielen anderen Wirtschaftsbranchen.

Aber nicht nur, weil die Leute öfter krank werden?
Läuft es in einem Betrieb schlecht, steigt in der Regel auch die Zahl der Kurzabsenzen. Das ist normal. In der Gastronomie ist dieses Phänomen noch etwas ausgeprägter, weil die Branche sehr nahe am Puls der Wirtschaft ist und Schwankungen direkt mitbekommt. Es ist relativ einfach: Je grosszügiger ein Unternehmen mit seinen Mitarbeitern umgeht, desto grosszügiger sind die Mitarbeiter mit dem Unternehmen.

Was bedeutet das für Sie?
Im Extremfall rapportieren wir für grössere Betriebe wöchentlich die Entwicklung der Absenzzahlen und der Schadensbelastung im Taggeldbereich. Wir informieren unsere Kunden auch über Ursache und Wirkung, wenn das Interesse da ist. Manchmal können wir den Personalabteilungen in juristischen Fragen weiterhelfen. Und oft wollen Gastronomen wissen, wie sie im Vergleich zu anderen dastehen. Tatsächlich geht die Schere in der Gastronomie unglaublich weit auseinander, das spiegelt sich auch in den Prämien. Bei den Personalversicherungen zahlen ähnliche Betriebe bis zu 400 Prozent höhere Prämien.

Wie erklären Sie sich das?
Das Thema Nummer eins ist das Krankentaggeld. Die soziale Risikoverteilung, die wir jahrelang kannten, nämlich dass viele für wenige Schadensfälle zahlen, die spielt nicht mehr. Es gibt einfach zu viele Absenzen. Zurzeit arbeitet kaum ein Krankentaggeldversicherer in der Schweiz rentabel. Die Prämien werden steigen. Die Versicherer prüfen jeden Kunden individuell auf seine Rentabilität und erhöhen Prämien auch mal um das Mehrfache, wenn es sein muss. Dieser Trend wird noch einige Jahre anhalten, bis der Markt wieder spielt und die Prämien wieder sinken. Solche Kurvenbewegungen sind normal in der Versicherungsbranche.

Thomas Wandres (51) arbeitet seit seiner kaufmännischen Lehre in der Versicherungsbranche. Zuerst während zehn Jahren für die damalige Winterthur Versicherung, danach als unabhängiger Versicherungsbroker. Seit zehn Jahren berät er bei der in Pfäffikon angesiedelten Firma Swiss Quality Broker AG Kunden aus der Gastronomie, Hotellerie sowie aus dem Heim- und Spitalwesen. Neben der Vermittlung von Versicherungen begleitet Wandres seine Kunden bei sämtlichen Schadensfällen und unterstützt sie in administrativen Belangen. 

Swiss Quality Broker AG
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