«Alles ist schwierig, bevor es einfach wird.»
Ihr Signature Dish ist ein asiatischer Reisbrei, der, so erzählen Sie, viel über Sie aussage. Was denn so?
Michaela Frank: Der Congee ist ein Gericht, das es in meinem Leben schon immer gab. Meine Mutter stammt aus Schanghai und kochte ihn traditionell: zwölf Teile Wasser auf einen Teil Reis, kein Salz. Ich mochte ihn nur in einer Form, mit getrocknetem und geschreddertem Rind- oder Schweinefleisch, wie es in China als Würze erhältlich ist. Im Rank interpretieren wir den Congee natürlich etwas anders, angepasst an die Bedürfnisse von Schweizer Gästen – also zum Beispiel viel weniger flüssig und mit Salz. Ich merkte, dass ich das Gericht nicht nur richtig abschmecken, sondern auch gut erklären muss, damit die Leute es verstehen. Inzwischen klappt das, und der Congee ist für uns eine Leinwand, auf die wir geben können, wonach uns ist und was wir gerade haben. Das passt gut zu mir und zum Rank, weil uns wichtig ist, Foodwaste zu vermeiden. Im Congee lässt sich viel verwerten.
An welchem Punkt in der Kreation eines Gerichts kommt der Gedanke daran zum Tragen?
Ich möchte einen bestimmten Teil des Produkts haben – und überlege dann, was ich mit dem Rest machen kann. Da wir alle Getränke selber produzieren, funktioniert das auch in Kombination mit der Bar. Wenn wir für die Küche Zitronen abzesten, kommt der Saft in die Getränke und entsteht aus den Hülsen selbstgemachte Zitronensäure für Cocktails oder Bitters. Bei grösseren Sachen denken wir sogar betriebsübergreifend: Carlos Navarro ist im Rechberg mein Pendant, und wenn wir ein ganzes Schwein kaufen, sprechen wir uns ab, wer von uns welche Teile nimmt. Zentral ist bei uns auch die Zusammenarbeit mit den Produzentinnen und Produzenten: Sie sagen uns, was sie haben – und wir überlegen, was sich daraus kreieren lässt. Das bedingt mehr vorausschauende Planung und viel Haltbarmachen. Ich finde es aber eine coole Art, ein Menü zu schreiben. Und ein Gericht wie der Congee eignet sich dafür hervorragend. Genau wie der Knödel, den wir in wechselnden Variationen auf der Karte haben. Er hilft uns, das Brot, das insbesondere aus der Toasty-Produktion übrigbleibt, sinnvoll zu verwerten. Das Bäckerhandwerk ist so krass, das müssen wir unbedingt wertschätzen.
Sie sprechen aus Erfahrung.
Ja, ich war im Rahmen meines Uccelin-Stipendiums unter anderem bei Eigenbrötler Daniel Amrein und erlebte, was dahinter- steckt. Wir arbeiten mit so hochwertigen und speziellen Produkten, dass es mir grundsätzlich wichtig ist, deren Wert auch hochzuhalten. Umso mehr freut es mich, wenn Leute vom Gut Rheinau oder von Slow Grow, von denen wir Lebensmittel beziehen, bei uns essen und sagen, dass sie ihre eigenen Produkte hier auf dem Teller besonders pur erleben. Das ist ein sehr schönes Kompliment!
Ihren Kochstil beschreiben Sie als simpel – und nennen ihn die Konsequenz einer Entwicklung. Wie ist das zu verstehen?
Ich bin 26, mein Stil wird sich sicher weiterentwickeln, aber ich finde mich immer mehr. Die Phase, in der ich auf dem Teller hier und da noch ein Tüpfli brauchte, liegt hinter mir. Natürlich entwickeln wir uns alle laufend, aber in der Rank-Küche stehen wir inzwischen an einem Punkt, an dem wir sehr zufrieden sind. Wenn ich heute ans Menü in der Anfangszeit denke...
Dann?
Es war schon cool. Aber alles, was wir machten, hatte viel Erklärungsbedarf. Ich war viel weniger sicher in dem, was ich tat. Nach und nach lernte ich, was es heisst, zu mir zu stehen – und dass ich mich dafür laut machen muss, kann und darf. Klar, es ist unser Ding, wir machen das hier zusammen – aber es ist eben auch meine Küche, meine Meinung ist gefragt und ich gebe das letzte Go.
Die flache Hierarchie ist ja ein tragender Pfeiler des Konzepts im Kultur Lokal Rank.
Das stimmt, wir arbeiten nach New-Work-Ansätzen, mit soziokratischen Ideen. Es gibt zum Beispiel keine Geschäftsleitung, sondern ein Kernteam von vier Personen, die sich die Verantwortung aufteilen. Ich kümmere mich um die Küche, Sophia Ender ums Überbetriebliche und Kulturelle, Thom Kiener um den HR-Bereich und Nicole Rapp um Service sowie Marketing. Dazu kommt eben die Nähe zum Rechberg mit weiteren Leuten und Kompetenzen. Das Konzept hat Vor- und Nachteile.
Beginnen wir mit dem Positiven?
Das Miteinander. Das spielte für mich am Anfang eine enorme Rolle. Egal, wie oft ich fürchtete, ich könne das nicht, kam irgendwer und sagte: Du bist ja nicht allein. Als ich angefragt wurde, ob ich den Posten der Küchenchefin im Rank übernehmen wolle, lehnte ich erst ab. Ich dachte, ich schaffe das nicht. Dann lernte ich die Leute, die dahinterstecken, näher kennen – und spürte, dass ich es probieren möchte. Alles ist schwierig, bevor es einfach wird. Und jetzt beschäftigen mich wieder andere Herausforderungen als zu Beginn.
Lassen Sie uns noch kurz über die Nachteile reden.
Wir verzetteln uns manchmal. In einem so grossen Leitungsteam läuft man Gefahr zu denken, jemand anderes sei zuständig. Das bedingt extrem gute Absprachen und viel Kommunikation. Auch darum musste ich rasch lernen, meine eigene Stimme zu finden, mich richtig mitzuteilen – und eben: lauter zu werden.
Fällt Ihnen das schwer?
Das hängt vom Gegenüber ab. Hier hielt ich mich anfangs zurück, weil ich den Eindruck hatte, mir fehle das Startkapital: Ich stiess spät zum Kernteam, die anderen Mitglieder hatten also etwas Vorsprung. Mir fehlte die Erfahrung aus der Umbauphase. Also blieb ich zu Beginn mehr im Hintergrund.