«Wer jetzt noch nicht angefangen hat, wird es nicht schaffen.»
Szenen wie diese spielen sich in Schweizer Hotels täglich mehrfach ab: Während Frau Müller noch im Flughafentaxi sitzt, zieht ein Zimmermädchen in ihrer Suite die Vorhänge zu, legt ein Kirschkernkissen bereit und stellt pinke Pfingstrosen in eine Vase. Biegt das Taxi um die Ecke, steht der Concierge schon da, begrüsst Frau Müller mit Namen und fragt, wie es ihrem geliebten Schäferhund Rex geht, der dieses Jahr altershalber in München bleiben musste.
Seit Jahren steigt Frau Müller im gleichen Hotel ab. Man kennt sie hier: der Restaurantleiter, der vorsorglich eine Flasche ihres Lieblingsrieslings kaltstellt, ebenso wie der Barkeeper, der von ihrer Erdnussallergie weiss. Dass die meisten Mitarbeiter ohne digitales Gästeprofil keinen Schimmer hätten, wer sie ist, tut hier ebenso wenig zur Sache wie der Fakt, dass die Dame eine fiktive Figur ist.
Gästedaten, festgehalten im schwarzen Büchlein des Chef-Concierges, auf dem Rezeptionscomputer oder ausgelagert in die Cloud, gehören seit jeher zu den grössten Schätzen eines Hotels. Mitarbeiter kommen und gehen, doch ihr Wissen bleibt. Nun aber droht mit der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die am 25. Mai in Kraft tritt, und dem Schweizer Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG), das hinterherkommt, ein massiver Gedächtnisverlust: Alte Daten über Stammgäste müssen allenfalls vernichtet oder die Erlaubnis nachträglich eingeholt werden, die Regeln betreffend neuen Daten wurden verschärft (siehe Box).
Die Hoteliers sind hin- und hergerissen: «Wir überlegen noch, wie wir die Einwilligungen einholen, damit wir möglichst wenig Gäste aus der Datenbank verlieren», sagt Andreas Stöckli vom Hotel Schweizerhof in Zürich. Andererseits sei das Ganze auch eine Chance, die Datenbank auf die relevanten Fans und Freunde herunterzufiltern. Aus diesem Grund will Michael Böhler vom Hotel Ambassador à l’Opéra (Interview auf Seite 100) fast bei null anfangen: «Wir schauen bei jeder Buchung, ob wir zu diesem Gast in den alten Unter lagen etwas finden. So misten wir Datenmüll und Dubletten aus und behalten nur, was dem Hotel nützt.» Stöckli und Böhler sind beide auf gutem Weg. Jene Hoteliers aber, die es bis zum Stichtag nicht schaffen, müssen zurück auf Feld eins. Stammgäste wie Frau Müller werden wieder zu Fremden: Kein Schwatz über Rex, keine Pfingstrosen und auch all die grosszügigen Trinkgelder sind vergessen. Als wäre sie zum ersten Mal da.
Noch ist Zeit, und Reto Zbinden hat alle Hände voll zu tun. Der Luzerner Rechtsanwalt unterstützt auch Hotels bei der Umsetzung der DSGVO. Der Rückstand ist gross. «Wer jetzt noch nicht angefangen hat, wird es nicht schaffen», sagte Zbinden Anfang März. Tatsächlich sieht alles danach aus, als könnten nur wenige den Wettlauf gegen die Zeit gewinnen: «Die Hotelketten sind bereit, die grossen Häuser mit Vollgas dran.»
Anders die kleinen und mittleren Hotels: «Viele sind noch nicht aufgewacht, manche wissen noch nicht einmal, was da kommt.» Grund zur Hektik gebe es trotzdem nicht, relativiert Zbinden: «Lieber gut und gründlich, statt schnell und schlecht.» Wird die Zeit knapp, soll man «zuerst vor dem Haus putzen». Das heisst: Dinge wie die Datenschutzerklärung auf der Website, die jeder von aussen sehen kann, werden zuerst angepasst. Andreas Stöckli geht es pragmatisch an: «Wir schauen, was die Grossen in ihre AGB und Datenschutzerklärungen schreiben.»