15.06.2021 Salz & Pfeffer 3/2021

Reife Leistung

Text: Carole Gröflin – Fotos: Jürg Waldmeier
Auf dem Feld entscheidet die Natur, im Keller kommt der Mensch ins Spiel: Beim Ausbau von Bier, Wein und Spirituosen gibt es verschiedene Optionen. Elementar fürs Resultat ist die Wahl des Materials.
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«Eine Eichenart ist nicht per se besser als die andere.»

«Generell kommt es bei allen Weinbereitungstechniken und Ausbauarten darauf an, sie gezielt und gekonnt einzusetzen», erklärt Britta Wiegelmann. Sie ist Weinjournalistin und besitzt ein Verkostungsdiplom der Fakultät für Önologie in Bordeaux. Der Klassiker ist der Ausbau von alkoholischen Getränken im Eichenfass. Eiche ist wasserdicht und leicht zu bearbeiten. Und die daraus gefertigten Fässer sind nicht ganz luftdicht, was beim Ausbau gelegen kommt: Der immer wieder eindringende Sauerstoff lässt etwa Weine nach einer Reifezeit weicher wirken. Er mildert die adstringierenden Tannine, also jene Gerbstoffe, die das pelzige Gefühl im Mund hinterlassen.

Kräftig zu kräftig, sanft zu sanft
Bei der Herstellung von Holzfässern werden zwei Sorten von Eiche oft eingesetzt: die europäische Traubeneiche sowie die amerikanische Weisseiche. Der Hauptunterschied liegt in der Dichte des Holzes: Die Ringe der Traubeneiche haben einen engeren Verbund als die der amerikanischen Weisseiche. Somit geben die Fässer aus Traubeneiche weniger Holzgeschmack ab und lassen weniger Austausch von Sauerstoff zu. Folglich sollten amerikanische Eichenfässer für Flüssiges gebraucht werden, die von allein schon ein kräftiges, intensives Aroma aufweisen. Bei feinen Säften ist der intensive Holzeinfluss der amerikanischen Eiche zu heftig. Wiegelmann präzisiert: «Eine Eichenart ist nicht per se besser als die andere.» Französische Eiche zum Beispiel werde gern als Nonplusultra dargestellt, doch die traditionellen Riojas werden seit über 100 Jahren in amerikanischen Eichenfässern ausgebaut. «Heute gelten diese Weine als absolute Klassiker, einzigartig in Stil und Qualität. Das ist das Resultat von jahrelangem Experimentieren und Finetunen», weiss die Fachfrau.

Meist gelangt Rot ins Fass
Die Winzerin Nadine Saxer hat ihr Weingut in Neftenbach im Zürcher Weinland. Sie arbeitet nur bei ihren Rotweinen mit Barriquefässern: «Welche Sorten sich dabei eignen, ist Erfahrungssache. Grundsätzlich gehören eher kräftigere, gerbstoffreichere Weine ins Holz. Ganz leichte Weine darin auszubauen, ergibt weniger Sinn. Da besteht die Gefahr, dass der Wein vom Holz überdeckt wird», sagt sie. Für Schaum- und Weissweine wird oft der Ausbau im Stahltank gewählt. Das Material gibt weder Aroma noch Sauerstoff ab. Das prädestiniert den Stahltank für den Ausbau von kurz gelagerten und fruchtbetonten Weinen.

Das Toasting ist entscheidend
Aber nicht nur Wein braucht den richtigen Ort zum Reifen. Auch Biere im Barrel-aged-Stil erhalten einen Teil ihrer Aromen vom Holzfass, in dem sie zwischenzeitlich lagern. Die Intensität hängt davon ab, wie das Holz zuvor behandelt wurde. Bei der Herstellung der Fässer werden die Dauben, die Längshölzer eines Fasses, durch den Küfer angeröstet, also getoastet. Dieser Vorgang erfolgt in mehreren Abstufungen, welche die Ausprägung der Aromen entsprechend verändern. In einem Bier (oder auch Wein) aus einem leicht geflämmten Fass finden sich feine Noten von Vanille. Kommt das alkoholische Getränk hingegen aus einem stark mit Feuer behandelten Fass, erinnert es geschmacklich an Espresso oder dunkle Schokolade. «Wir verwenden immer die mittlere Toastung, nicht zu stark, nicht zu schwach», erzählt Saxer. Sie probiert ab und zu ein Fass aus einer anderen Küferei aus: «Da gibt es je nach Hersteller spannende Unterschiede.»

Zu getoasteten Fässern greift auch die Distillery von Rugenbräu mit Sitz in Interlaken. Master Distiller Kurt Althaus räumt mit einem Klischee auf: «Durch die Holzkohleschicht, die beim Ausbrennen entsteht, werden scharfe Stoffe aus dem Whisky entfernt. Das macht ihn weicher und nicht etwa rauchig, wie oft angenommen wird.» Wie stark bei Rugenbräu die Fässer getoastet werden, hängt von der Philosophie ab. Für einige ihrer Spezialitäten lässt die Firma Fässer von Küfer Roland Suppiger aus einheimischer Eiche produzieren. Dieser führt diverse Holzsorten mehr im Angebot: Eiche, Kastanie, Akazie und Lärche werden für Weinfässer verwendet. Das Holz von Kirsche, Esche, Apfel und Birne eignet sich für Destillate und Aceto balsamico. «Der Kassenschlager sind Grossfässer ab 1000 bis 20 000 Litern. Diese Spezialanfertigungen kann nicht jede Küferei herstellen», sagt Suppiger, der die Küferei in Küssnacht am Rigi in vierter Generation führt.

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Mit Luft und Spänen nachhelfen
Von Zeit zu Zeit greifen die Menschen beim Ausbau alkoholischer Getränke auch in die Trickkiste: Um den Luftaustausch im Eichenfass zu imitieren, wird Wein im Tank oder im Fass zum Beispiel händisch mit Sauerstoff behandelt. Oder aber der holzige Geschmack wird mittels Eichenholzspänen imitiert, ohne die Kosten für ein Fass zu verursachen. Ein solches kostet je nach Holz bis zu 1000 Franken und kann nur einige Male verwendet werden. Denn je älter ein Fass ist, umso weniger Aromen und Eichengerbstoffe sind verfügbar. «Die Entscheidung zwischen dem Ausbau im Eichenfass und der Zugabe von Chips hat unter anderem damit zu tun, ob der Winzer auf einen trinkbereiten oder einen lagerfähigen Wein abzielt», erklärt Expertin Wiegelmann. Beim Fassausbau sei der Austausch von Sauerstoff gewährleistet. Das trägt zur Stabilisierung des Weins bei und macht ihn lagerfähiger. «Bei der Zugabe von Chips bleibt dieser Effekt aus. Dafür wird das Holz schneller integriert, und der Wein ist in der Regel früher trinkreif.» Viele Entscheidungen des Winzers seien also nicht allein qualitativer Natur, sondern auch eine stilistische Wahl.

Beton als eigene Philosophie
Seine ganz eigene Handschrift beim Ausbau gefunden hat der Waadtländer Winzer Bernard Cavé. Er ist ein grosser Freund der Reifung von Wein in Betoneiern. Durch deren Wände können ebenfalls kleinste Sauerstoffmengen ins Getränk gelangen. Sie werden für den Weinausbau in Frankreich und Spanien bereits seit Jahrzehnten verwendet. «Die eiförmigen Behälter erlauben ein konstantes Rühren der Weinhefen, was dem Produkt seine aromatische Vielfalt verleiht», erklärt der Önologe. Bereits 2006 startete er damit und probiert seither viel aus: Cavés Chardonnay ist zum Teil im Betonei, zum Teil im Weinfass ausgebaut. Der Gamay darf ins Fass und wird anschliessend im Beton veredelt. «Ich liebe es, immer wieder neue Kombinationen auszuprobieren», erzählt er. Sein Ideenreichtum beschere ihm ab und zu die Bemerkung, ein Spinner zu sein. «Das ist für mich ein Kompliment», meint er schmunzelnd.

Bei manchen Ausbauarten oder Gefässformen wisse man noch nicht restlos, wie sie auf den Wein wirkten, sagt Wiegelmann. Betoneier seien so ein Fall: «Hat die ovale Form, die dem Goldenen Schnitt folgt, tatsächlich eine Wirkung auf den Wein?», fragt sie – und schiebt gleich nach: «Letztlich spielt das keine Rolle. Denn das Experiment bringt Winzerinnen und Winzer und somit die Weinkultur weiter.»