«Heute ist mir klar, was mir persönlich wichtig ist.»
Seit Sie 2018 im La Brezza das Szepter übernommen haben, gab es in Ihrem Team kaum personelle Wechsel: Sie müssen ein toller Chef sein.
Marco Campanella: Ich glaube, ich bin ein entspannter Chef. Als ich hier als 26-jähriger Jungspund plötzlich ein Team führen sollte, war das natürlich eine Herausforderung. Ich wusste nicht, wie ich mit den Leuten umgehen soll – war ich zu hart, war ich zu wenig hart? Heute ist mir klar, was mir persönlich wichtig ist: ein familiärer Umgang. Und ich hinterfrage mich ständig.
Inwiefern?
Ende Jahr schaue ich zurück und überlege, wie es lief, wie ich mein Team führte, woran es allenfalls mangelte. Ich möchte das auch von meinen Köchen wissen: Sie sollen mit mir reden, wenn sie etwas auf dem Herzen haben, wenn sie etwas stört. Wobei, inzwischen kann ich ja von den Gesichtern ablesen, ob jemand im Team schlechte Laune oder ein Problem hat. Da frage ich nach, über den Job hinaus. Bei uns ist auch Platz, wenn es privat schlecht läuft. Ich habe immer ein Ohr – auch für den Service.
Die Zusammenarbeit zwischen Küche und Service ist ja oftmals ein Thema für sich.
Bei uns läuft sie super, ehrlich. Natürlich gibt es Reibereien, die gehören dazu, aber wir sind ein grossartiges Team und versuchen, einander zu helfen. Mit der Restaurantleiterin Nicole Schneider arbeitete ich schon 2014 bei Ivo Adam im Seven, wir kennen und schätzen uns.
Sie sind in der Gastronomie aufgewachsen, standen als Kind bei Ihren Eltern im Lokal. War denn für Sie immer schon klar, dass Sie Koch werden würden?
Das war es. Ich rannte bereits nach dem Kindergarten zu Papa in die Küche; stellte mich auf einen umgekehrten Bierkasten und durfte am grossen Marmortisch beim Pizzamachen mithelfen. Das war eine so schöne Zeit! Mit meinem Vater in der Küche, aber auch mit meiner Mutter, die hinter dem Tresen arbeitete. Ich habe einen engen Draht zu meiner Familie, nicht zuletzt zu meinem neun Jahre älteren Bruder, der mich immer unterstützt. Er ist mein Vorbild. Wir beide lernten von unseren Eltern ungeheuer viel. Ich erinnere mich zum Beispiel, wie mein Vater jeweils die Tomatensauce ansetzte. Er sagte immer: Es braucht Geduld, wenn es gut werden soll – übereile nichts, nimm dir lieber ein paar Minuten mehr Zeit, denn am Ende zählt, dass das Resultat stimmt. Das beherzige ich auch im La Brezza, und zwar nicht nur beim Kochen.
Sondern?
Zum Beispiel auch, wenn es darum geht, vorwärtszukommen. Wir machen unsere Sache hier gut, aber ich habe durchaus im Kopf, wohin wir damit wollen. Eines Tages möchten wir zwei Sterne haben, 18 Punkte. Aber: Schritt für Schritt. Ich vertraue darauf, dass sich die Dinge entwickeln. Das ist eine Lektion unserer Eltern: nichts überstürzen, nicht alles auf einmal wollen.
Vom italienischen Restaurant, wie es Ihre Eltern und inzwischen Ihr Bruder führen, sind Sie dann aber doch ein rechtes Stück abgekommen. Was hat Sie in die gehobene Gastronomie geführt?
Dass ich hier landen würde, war mir anfangs nicht klar. Die Ausbildung machte ich in einem Familienhotel mit einer schönen, klassisch-schwäbischen Küche: Maultaschen, Sauerbraten, Rehhaxen. Mit der Sterne-Küche kam ich erst danach in Berührung, als ich meinem Bruder ins Hotel Carlton nach St. Moritz und dann hierher ins La Brezza nach Ascona folgte. Hier arbeitete ich eineinhalb Jahre unter Küchenchef Rolf Krapf. Auch er brachte mir eine Menge bei.
Zum Beispiel?
Als ich nach eineinhalb Jahren bei ihm weiterzog, riet er mir: Nimm an den verschiedenen Stationen, die nun kommen werden, immer das Gute mit und lass zurück, was dich nicht weiterbringt. Und so machte ich das: bei Martin Dalsass, bei Ivo Adam, bei Rolf Fliegauf, bei Andreas Caminada. Überall pickte ich heraus, was mir gefiel, und notierte es detailliert in meinem kleinen Buch. Dabei ging es bei Weitem nicht nur um das Kochtechnische. Wie Andreas Caminada seine Leute führt zum Beispiel, beeindruckte mich sehr; wie er sich Zeit nimmt, wie er den einzelnen Mitarbeitenden pusht und wie er erkennt, wer welches Potenzial mitbringt.