Oft schoss er nicht nur ins Ziel, sondern auch noch darüber hinaus.
Dääm. Gastro Zürich. Frühling 2023. Diese Show. Diese Buhrufe, als Herr Dr. jur. Karl E. Schroeder nach seiner geschichtsträchtigen Selbstdemontage von den Delegierten aus dem Saal des Meilemer Löwens gewählt wurde. 1995 bis 2021 hatte er den Verband geführt, gefühlt 999 Jahre lang, und dabei in letzter Zeit offenbar 440000 Franken eher kurlig verbucht. Das Leben ist durchaus zu kurz, um schlechte Weine zu trinken, aber die Frage ist, mit wessen Geld. Ausserdem müssen Kadermitarbeiterinnen eines so honorablen Verbandes wie Gastro Zürich schon etwas hermachen, klar, und Designerkleider kosten schnell mal 67000 Franken, sowieso, wenn auch Braut- und Umstandsmode darunter ist.
Präsident Urs Pfäffli mit seiner Rockerbrille hat nun aber Revisoren aufgeboten, der gegangene Schroeder zetert «Mordio» von einem Rachefeldzug, sekundiert nur noch von einer Handvoll Unterstützerinnen und Unterstützer im Saal, unter ihnen Ernst Bachmann (77), der den Verband 1998 bis 2021 präsidiert hatte, gefühlt 996 Jahre lang, und ein alter Sack wie Monsieur Tabasco erinnert sich da natürlich wehmütig an die legendäre Feindschaft zwischen Bachmann und DEE.
DEE. Daniel E. Eggli. Gründer und Chefredaktor von Salz & Pfeffer. Wülflingen. 2,5-Zimmer-Wohnung. Verlag in der Küche, Redaktion im Schlafzimmer. Vor 31 Jahren habe ich neben Egglis rundem Wasserbett Texte überarbeitet. Er war der liebenswürdigste und hassenswerteste Arbeitgeber, den ich je hatte, bis er 2001 spontan auf den Friedhof von Dachsen umzog.
DEE pflegte seine Feindschaften inbrünstig. Mit dem legendären Silvio Rizzi von Gault & Millau lieferte er sich zwar nur genüssliche Scheingefechtlein für die Show – die zwei alten Narzissten waren Brüder im Geiste und Eggli besuchte Rizzi noch im Pflegeheim, obwohl er Pflegeheime hasste. Echt waren dafür die Schlachten mit Ljuba Manz-Lurje von der Manz Privacy Hotels & Gastronomy. Die Kopie ihres Zahlungsbefehls von 1993 über eine Million Franken habe ich heute noch. Ein Prachtsgegner war auch René Frech, dessen Postille Gourmet DEE sturmreif schiessen wollte. Frech schoss zurück. All die Ehrverletzungsklagen habe ich nicht gesammelt mangels Platz.
Richtig furios war Egglis Krieg gegen visionslose Wirte und visionslose Verbandsfunktionäre. Gegen die schrieb er an, topinformiert, ironisch und rhetorisch brillant. Oft schoss er nicht nur ins Ziel, sondern auch noch darüber hinaus. Apparatschicks schimpfte er sie, Klämmerlisäcke und Unfähige, tote Hosen und dicke Bäuche. Allein 1995 blätterte Eggli für Anwaltskosten, Vergleiche oder Bussen rund 100000 Franken hin. Speziell rezent war Egglis Charme nun eben bei Ernst Bachmann. 1992 – ich arbeitete neben dem Wasserbett – wurde dieser Wirtepräsident der Stadt. 1998 wurde er es beim Kanton. Auch den Landesverband vizepräsidierte der SVP-Kantonsrat dann noch. Ihm hängte DEE wirklich jeden Schlötterlig an.
Was aber wäre geworden, wenn DEE nicht 2001 seinen Kochlöffel abgegeben hätte? Entweder hätte er bis zu Schroeders und Bachmanns Rücktritt bei Gastro Zürich vor zwei Jahren weitergeballert, hätte sie 20 Jahre lang Sesselfurzer und Gerontokraten geschimpft, und es hätte ihn Millionen gekostet. Oder er hätte sie vorher aus den Sesseln geschossen. Es wäre ihn günstiger gekommen. Gastro Zürich auch. Dann ständen die Verbände heute ganz anders da, und Gastrounternehmer Michel Péclard hätte 2021 nicht sagen müssen: «Zürich ist weltweit eine der tollsten Gastroregionen. Dass Gastro Zürich von einem 75-jährigen SVPler repräsentiert wird, ist einfach absurd.»
Die alte Garde der Generation Bachmann stand für «Wirte». DEE stand nicht, DEE bewegte sich vorwärts, für Visionen. Wäre DEE diesen Frühling an der Delegiertenversammlung gesessen, er hätte laut gelacht, kindisch triumphierend zwar, aber berechtigt. Nun hat die alte Garde sich ein letztes Mal aufgebäumt, von den Jüngeren wird jetzt aufgeräumt.
Ein frisches Mindsetting täte auch Gastrosuisse gut. Alle Welt steht hinter dem Klimaschutzgesetz, nur die Gastrosuisse plätschert wieder mal im Kielwasser von SVP und Gewerbeverband. Und das, obwohl an der Basis eine kreative Generation von pfiffigen Gastgebern viriles Leben inszeniert und anziehende Lebensfreude versprüht, die meisten von ihnen zu jung, um zu wissen, dass sie damit genau das beweisen, was der Gründer von Salz & Pfeffer immer postuliert hat: das Virus der Begeisterung. Jetzt fehlt nur noch, dass eines Tages auch die Exponenten und Exponentinnen der Gastroverbände bei ihren öffentlichen Auftritten wirken würden, als ob sie vom Virus der Begeisterung angesteckt wären.