Tofu ist kein Produkt der modernen Lebensmittelindustrie, auch wenn das heute so aussieht.
Als Scout für pflanzliche Lebensmittel bin ich immer auf der Suche nach neuen und spannenden Lebensmitteln, die dem menschlichen Körper auf gleich effiziente Weise Protein liefern können wie Fleisch. Dieses hat sich in unserer Kulinarik gewissermassen als Standard etabliert, wenn es um Protein geht – dabei war Fleisch in der Ernährung der «guten alten Zeiten» die absolute Ausnahme und selbst am Wochenende eigentlich den Reichen vorbehalten. Aber genau wegen dieses Standards sollen alle Fleischersatz-Produkte, die in den letzten Jahren lanciert wurden, den möglichst gleichen Geschmack und das möglichst gleiche Mundgefühl haben wie Fleisch. Werden diese Produkte und ihre mit vielen Milliarden Wagniskapital ausgestatteten Hersteller wirklich Fleisch ablösen? Und vor allem – ist es überhaupt nötig, diese teuren und sehr stark prozessierten Produkte zu kaufen?
Kurze Tofu-Geschichte
Eiweiss aus verarbeiteten Pflanzen wird nämlich schon seit vielen Jahrhunderten als Proteinlieferant verwendet. Dabei wurde weniger an den «Ersatz» von Fleisch gedacht, sondern einfach an eine rundum ausgeglichene Ernährung, wie sie jeder Mensch anstreben sollte. Tofu zum Beispiel ist kein Produkt der modernen Lebensmittelindustrie, auch wenn das heute so aussieht. Erstmals belegt ist seine Herstellung in China zur Zeit der Han-Dynastie (206 vor Christus bis 220 nach Christus). In einem Grab von Adligen dieser Dynastie wurden Zeichnungen entdeckt, die die Herstellung von Tofu zeigen. Seine Verwendung als Fleischalternative ist in einem Dokument von Tao Gu (vereinfachtes Chinesisch: 陶谷; traditionelles Chinesisch: 陶穀; Pinyin: Táo Gǔ, 903-970) festgehalten. Tao beschreibt, dass Tofu im Volksmund als «kleines Hammelfleisch» (chinesisch: 小宰羊; pinyin: xiǎo zǎiyáng) bekannt war, was zeigt, dass die Chinesen Tofu als Fleischimitat schätzten. Während der Tang-Dynastie (618-907) war Tofu weit verbreitet und verbreitete sich wahrscheinlich während der späteren Tang- oder frühen Song-Dynastie nach Japan. Und im dritten Jahrhundert nach Christus beschreibt der griechische Autor Athenaios Naukrátios in seinem Werk Deipnosophistae eine Zubereitung eines Rübengerichts, das wie Sardellen schmecken sollte:
Er nahm eine weibliche Rübe, zerkleinerte sie fein
In die Gestalt des zarten Fisches;
Dann goss er Öl und pikantes Salz darüber
Mit sorgfältiger Hand in angemessenem Verhältnis.
Darauf streute er zwölf Körner Mohn,
die Skythen lieben; dann kochte er alles.
Und als die Rübe die königlichen Lippen berührte,
So sprach der König zu den bewundernden Gästen:
«Ein Koch ist so nützlich wie ein Dichter,
Und ebenso weise, und diese Sardellen zeigen es.»
Dank der lebendigen Kulinarik des chinesischen Riesenreiches und seiner Nachbarländer wurde Tofu zu einem wichtigen Bestandteil der Ernährung Asiens und etablierte sich weniger als Fleischersatz, sondern eher als ein eigenes Produkt. Auch aus gekochtem Getreide wurden in China proteinreiche Lebensmittel hergestellt, also nach der Art, die heute als Seitan bekannt ist. Erstmals nachweisbar ist das Kochen von Getreide zur Gewinnung von Protein vor über 1500 Jahren.