25.09.2018 Salz & Pfeffer 6/2018

Spass statt Schnickschnack

Text: Virginia Nolan – Illustrationen: Michael Raaflaub
Business- und Eventcatering gilt als umkämpfter, aber vielversprechender Markt mit Wachstumspotenzial. Wohin geht die Reise in der Branche? Der Gast von heute, so viel ist sicher, mag es ungezwungen. Einfach macht er es Caterern damit nicht.
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«Im Catering entscheidet einer von 100, was die anderen 99 essen.»

Die Herausforderung, sich wirtschaftlich über Wasser zu halten, ist für Schweizer Gastronomen längst zum täglichen Brot geworden. Nicht unbedingt Goldgräberstimmung, aber mehr Optimismus herrscht im Cateringgeschäft, vor allem im Business- und Eventcatering. Die grossen Player der Gemeinschaftsgastronomie haben das Potenzial der Sparte erkannt und engagieren sich verstärkt, der Geschäftsbereich dankt es mit solidem Wachstum. Auf über 1,7 Milliarden Franken schätzen Wirtschaftsexperten den Markt für Event-, Business- und Grosscatering in der Schweiz.

Festivals als Inspiration
Weniger Pomp, mehr Erlebnis, in diese Richtung geht in der Branche der Trend, weiss Rico Zindel, Geschäftsführer der Säntis Gastronomie, eines der grössten Cateringunternehmen der Ostschweiz. «Sich in Schale werfen, Haute Cuisine geniessen und drei Stunden am selben Platz sitzen», sagt er, «solche klassischen Bankett-Formate haben eher ausgedient. Ein Cateringevent, wie ihn sich der Gast von heute wünscht, ist wie ein Open Air, einfach ohne die Toten Hosen.» Dabei seien Streetfood-Festivals als Inspiration tonangebend. «Barbecues, Foodtrucks, Marktstände», sagt Zindel, «das wollen die Leute. Selbst Banken und Handelskammern fliegen darauf. Wir haben es mit einem Hype zu tun, der seine Spitze noch nicht erreicht hat.» Das glaubt auch Nicolai Squarra, Geschäftsführer von Dine & Shine, dem Cateringzweig der SV Group: «Der Streetfood-Trend», sagt er, «bleibt ungebrochen.» 

«Vielreiserei sowie die sozialen Medien führen zu hohen Erwartungen an einen Event», sagt Anke Krause, ihres Zeichens CEO der Gamma-Gruppe, zu der die Sparte Gamma Catering gehört, «vor allem, was den Erlebnischarakter betrifft.» Veranstaltungen mit Festival-, Markt- oder Pop-up-Charakter trügen eben diesem Anspruch Rechnung. «Im Zentrum steht das Kommunikative», sagt dazu Krause, «die Leute wollen sich austauschen, nicht nur untereinander, sondern gerne auch mit dem Gastgeber.» Flying Dinners, bei denen jeder Gang an einem anderen Ort eingenommen werde, seien heiss begehrt, ebenso Sharing Dishes, also Gerichte zum Teilen.

«Zur Innovation verdammt»
«Heute entscheidet nicht der teure Champagner über den Erfolg einer Veranstaltung, sondern die Erinnerung, die der Gast mit nach Hause nimmt», sagt Samuel Hauser, Geschäftsführer von Blum-Hauser-Gastronomie. Die Firma betreibt im Zürcher Unterland zwei Restaurants und einen Cateringservice. Food in Bewegung, laute das Gebot der Stunde, der Gast wolle sich dazugesellen, wo es ihn grad hinziehe. «Da bietet sich das Marktstandkonzept an», sagt der Profi. «Es erfordert keinen Service im klassischen Sinn, dafür steigen Aufwand und Warenkosten in der Produktion. Die muss nicht nur ein Menü stemmen, sondern mehrere Stände bedienen. Das ist auch für die Warenkalkulation eine Herausforderung.»

Ungezwungen heisst nicht unkompliziert, zumindest nicht für den Gastgeber, macht auch Cateringexperte Zindel deutlich. «Die Leute erwarten vom Caterer, was sie von Pop-up-Restaurants kennen», sagt Zindel. «Wir sind, überspitzt gesagt, zur Innovation verdammt. Im Gegensatz zum Pop-up haben wir laufende Fixkosten und sind darauf angewiesen, dass wir ein Konzept erneut an den Mann bringen können, sonst rentiert es nicht.» Einfacher gestalte sich die Aufgabe bei Konferenzen und Kongressen. Auch da gehe es informeller zu, so habe der Grab-and-Go-Lunch im Paket den Mehrgänger am Tisch praktisch ersetzt: «Das hängt damit zusammen, dass Banken die Budgets kürzen oder Ärzte Medizinkongresse selbst berappen müssen, weil Pharmakonzerne sie nicht mehr sponsern dürfen.» Total sei die Rendite auf sogenannte Flying Lunches kleiner, sagt Zindel, «dafür sind sie eine dankbare Geschichte zum Vorbereiten».

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Regional, was sonst?
Auf dem Teller, sagen Caterer unisono, machten sich dieselben Tendenzen bemerkbar wie in der regulären Gastronomie. «Brutal lokal», wie Trendsetter die Hinwendung zur regionalen Küche nennen, avanciere auch im Catering zur meinungsbildenden Devise. «Lokale Produzenten und kurze Transportwege werden immer mehr zum Thema», sagt Squarra von Dine & Shine, «ebenso eine geradlinige Küche mit wenigen, aber hochwertigen Grundzutaten.» Ins gleiche Horn bläst Krause von Gamma Catering: «Der Gast ist gut informiert und stellt entsprechende Forderungen, insbesondere, was die Herkunft der Rohstoffe angeht.» Man suche deshalb vermehrt die Nähe zum Produzenten: «Zum Beispiel lassen wir unser Gemüse von einem Bauern in der Region anbauen.» Nachhaltigkeit, darin sind sich die an dieser Stelle befragten Caterer ebenfalls einig, sei ein weiteres Kriterium, auf das der Gast zusehends achte.

«Solche Maximen sind schön und gut», sagt Zindel von der Säntis Gastronomie, «sie nützen aber wenig, wenns beim Lippenbekenntnis bleibt. Oft geht es nur darum, auf einen Zug aufzuspringen.» Er führt als Beispiel Nose to Tail an: «Alle sprechen davon, aber wer setzt den Ansatz um? Da und dort kommen Nieren auf den Teller, vielleicht auch mal ein Kalbskopf. Was ist mit Herz, Lunge, Euter? Das macht niemand. Wir hätten aber durchaus den Auftrag, den Gast in dieser Hinsicht umzuerziehen.» Dafür biete die Cateringbranche immerhin bessere Voraussetzungen als die reguläre Gastronomie, findet Daniel Kolbe, Inhaber von Dolce Far Niente Catering in Zürich. «Im Catering entscheidet einer von 100, was die anderen 99 essen», sagt er. «Wenn es uns gelingt, den Auftraggeber zu überzeugen, zum Beispiel von Second Cuts, können wir automatisch eine grössere Gruppe für das Thema sensibilisieren und hoffentlich begeistern.»

Logistik bleibt Handarbeit
Crux und Dauerthema bleibt in der Cateringbranche die Logistik. Modernste Küchentechnik habe einem das Leben vereinfacht, sagt dazu Caterer Hauser, «beispielsweise das Schockfrostverfahren oder moderne Regeneriermethoden.» Sie ermöglichten ein zeitunabhängiges Vorproduzieren ohne Qualitätseinbussen. «Ansonsten bleibt Logistik Manpower – ein Chrampf», so Hauser. Zindel von der Säntis Gastronomie stimmt dem zu: «Digitale Lösungen, etwa zur Materialerfassung, tragen zu einer besseren Übersicht bei. Im Übrigen bedeutet Logistik aber hauptsächlich Handarbeit.» Da sei in nächster Zeit auch kein Quantensprung zu erwarten, glaubt Squarra von Dine & Shine.

Von digitalen Lösungen erhofft er sich indes Zeitersparnis im Offertengeschäft. «Wir arbeiten an einer Internetplattform, über die sich der Kunde seinen Anlass selbst zusammenstellen kann», sagt er. «Dadurch sollen Vorabklärungen effizienter werden, denn der Zeitfaktor bleibt im Catering das A und O.»