«Das ist jetzt mehr ein Bubentraum, der in Erfüllung geht.»
Luxusuhren, Edelkarossen und Motorräder gelten nicht als Standardaccessoires verdienter Köche, doch darüber könnte Werbung glatt hinwegtäuschen: Da kurvt Andreas Caminada im Audi-Spot durch die Berge, Fernsehkoch René Schudel hält seine Breitling-Uhr in die Kamera, und Nenad Mlinarevic erklärt der Porsche-Times, was ihn antreibt – unter anderem ein brandneues Elektrogefährt des Hauses. Sämtliche Formate räumen der Persona des Kochs viel Platz ein; fast scheint es, als sei es seine Strahlkraft, die auf Statussymbole abfärben soll, nicht umgekehrt.
Folgeaufträge statt Bares
Küchenchefs sind zu begehrten Markenbotschaftern avanciert, auch für Dinge weit ausserhalb ihrer Wirkungsstätte. Menschen hätten sich noch nie so intensiv mit ihrer Ernährung auseinandergesetzt wie heute, sagen Trendforscher. Wenn Essen, wie das Gottlieb Duttweiler Institut festhält, «der neue Pop» ist, sind die Köche folgerichtig die neuen Stars. Das Rock ’n’ Roll-Image komme ihnen sicher zugute, es spreche aber auch ein weiterer Grund für Köche als Markenbotschafter, sagt Reto Krattiger, Marketingchef bei Breitling Schweiz: «Kulinarik ist sehr zugänglich: Mit gutem Essen lassen sich viele Menschen erreichen.»
Nenad Mlinarevic, Gault-Millau-Koch des Jahres 2016 und heute selbstständiger Gastronom, gehört zu den Schweizer Küchenchefs mit dem grössten Werbepotenzial. «Ich werde für alles Mögliche angefragt», sagt der 40-Jährige. Markenpartnerschaften gehe er aber nur mit Unternehmen ein, deren Produkte er auch privat kaufen würde: «IWC und Porsche beispielsweise fragten erst an, nachdem ich mir die Uhr und das Auto schon geleistet hatte.» Geld spiele in Markenpartnerschaften eine untergeordnete Rolle, so Mlinarevic. Vielmehr gehe es darum, Synergien derart zu nutzen, dass für alle ein Mehrwert entstehe. «Ich versuche daher auch, meine Partnerschaften zu kombinieren», sagt er. «Beispielsweise im Rahmen eines Pop-ups, bei dem Miele die Geräte stellt und IWC als Gastgeber fungiert. Auf diese Weise erhalten wir alle die Möglichkeit, uns neue Zielgruppen zu erschliessen.»
«Wir versuchen stets zur Stelle zu sein, wenn Nenad Geräte benötigt», sagt dazu Barbara Kaiser, ihres Zeichens Mediensprecherin bei Miele. «So kommen unsere Geräte in seinen Restaurants zum Einsatz, aber auch in seinem Atelier.» In Letzterem servierte Mlinarevic Porsche-Kunden unlängst einen Sechsgänger. «Es sind nicht Kampagnen, die Markenpartnerschaften attraktiv machen, sondern Folgeaufträge daraus», erklärt er. «Events money can’t buy», nennt man bei BMW Schweiz solche Formate, zu denen ausgewählte Kunden eingeladen werden. Ein Stelldichein mit dem Spitzenkoch sei dabei eine gefragte Variante, sagt Nicolao Colombo, Leiter Kooperationen und Partnerschaften bei BMW Schweiz: «Unsere Zielgruppe kann zwar auch privat im The Dolder Grand essen gehen, aber ein familiäres Treffen mit Heiko Nieder ist auch für sie etwas Besonderes.»
Es reicht nicht, den Kopf hinzuhalten
«In der Gastronomie wirst du nicht reich», befindet indes Rolf Caviezel. «Das gilt auch in Bezug auf Markenpartnerschaften.» Der selbstständige Molekularkoch pflegt allesamt langjährige Markenpartnerschaften, unter anderem mit Turm-Kaffee, Sbrinz-Käse, der Brauerei Schützengarten oder dem Teigwarenhersteller Bschüssig. «Alles sind Schweizer Traditionsfirmen», sagt Caviezel. «Auf solche Dinge lege ich Wert.» In diesem Zusammenhang trage er auch bei seinem Projekt Kids ab an den Herd eine Verantwortung. «Hier geht es um Sensibilisierungsarbeit, nicht zuletzt für lokale Produkte», sagt Caviezel. «Kinder sollen sehen, dass wir auch eine heimische Teigwarentradition oder mit dem Sbrinz ein lokales Pendant zum Parmesan haben. So habe ich besagte Firmen selbst angefragt, ob sie mit mir zusammenarbeiten wollen.» Aktuell plant Caviezel mit Partnern die Nachwuchsaktion Kid’s Day 2022. Als Testimonial entwickelt er ausserdem Rezepte, hält Referate oder führt Kochkurse durch. Die Partnerfirmen wiederum pushen diese Inhalte in den sozialen Medien und steigern seine Reichweite. «Es ist ein Geben und Nehmen», sagt Caviezel. «Die Zeiten, in denen es Geld für ein Logo auf der Kochbluse gab, sind vorbei.»