«Ob jetzt eine Komponente einen Millimeter weiter rechts oder links liegt, ist doch egal.»
Ihre Lehrzeit habe Sie stark geprägt, betonen Sie. Warum?
Fabian Raffeiner: Unter anderem deshalb, weil ich im Hotel Castel in Tirol Dorf mit Küchenchef Gerhard Wieser auf einen Menschen traf, der immer respektvoll mit den Leuten umging und nie laut wurde. Das entspricht mir. Ich pflege zu meinem Team heute ein lockeres Verhältnis; meine Mitarbeiter sind stark auf mich bezogen und kommen zu mir, wenn was ist. Roger Fernandes Diogo beispielsweise arbeitet nun schon im vierten Betrieb an meiner Seite. Er war im Vitznauerhof als Frühstückskoch beschäftigt, blieb aber jeweils nach Feierabend in der Küche, stand mit auf dem Gardemanger-Posten, half mal hier, mal da und arbeitete sich kontinuierlich hoch. Wir wuchsen beide mit Beziehungen in die Gastronomie auf. Das prägt.
Was fasziniert Sie denn so am Kochen?
Das Gefühl, wenn die Leute im Restaurant glücklich sind; wenn ich sehe, wie sie die Teller fotografieren, wie sie Spass haben, wie sie sich dafür interessieren, wie wir einzelne Komponenten herstellen. In meiner Lehrzeit erfuhr ich auch, was in der Gastronomie alles möglich ist, mal für die Formel 1 oder für Frau Merkel zu kochen, zum Beispiel ...
Sie arbeiteten immer im gehobenen Segment.
Ich achtete jeweils schon darauf, wohin ich gehe, ja.
Und welche Faktoren waren da entscheidend?
Ich sag es mal so: Die Küche muss top sein. Wie im Meridiano: Das Restaurant hat einen Namen, steht für hochwertiges Essen.
Einen Namen machten sich auch Ihre Vorgänger; erst Markus Arnold, dann Jan Leimbach. Wie gedenken Sie, dem Meridiano Ihren Stempel aufzudrücken?
Meine Vision ist es, das Meridiano zu einem gastronomischen Leuchtturm zu machen, über der Stadt Bern, dem Kanton und gern darüber hinaus. Dass wir uns qualitativ nochmals steigern, ist explizit gewünscht und auch mein Ziel.
Gibts eine Vorgabe, was Punkte und Sterne betrifft?
Nein. Persönlich wäre ich im ersten Jahr sehr zufrieden, wenn ich einen Stern und 16 Punkte erreichen würde. Im Vitznauerhof erhielt ich nach einem Jahr 15 Punkte und einen Stern – insofern wäre da eine Steigerung drin. Von der Geschäftsleitung werde ich nicht unter Druck gesetzt, da habe ich echt freie Hand und kann tun, was mir Spass macht. Natürlich darf ich nicht aus den Augen verlieren, dass es sich um zahlende Gäste handelt, die uns den Lohn einbringen. Aber ich wuchs ja in diesem Wissen auf; dass neben vielen anderen Faktoren eben auch ein wirtschaftlicher Betrieb zählt.
Wie vereinbaren Sie diese Wirtschaftlichkeit mit Ihrer Anspruchshaltung bei der Wahl der Produkte?
Indem wir zum Beispiel kaum Lebensmittel wegwerfen. Mit den Abschnitten, die bei der Zubereitung der Kartoffelrollen anfallen, stellen wir vielleicht Chips her, die Gemüsereste verarbeiten wir zu Fond, Jus oder einem Püree. Ich habe grossen Respekt vor den Produkten – wie eben auch vor meinen Mitarbeitern. Diese sind ein wertvolles Gut, und wer sie nicht zu schätzen weiss ...
Sie sind kein Einzelkämpfer.
Gar nicht. Ich bin sehr froh um meine Mitarbeiter. Und ich glaube, sie sind froh um mich.
Gemeinsame Sache machen Sie auch, wenns ums Schreiben der Karte geht.
Die ersten Ideen entstehen in meinem Kopf, dann setz ich mich aber mit meinen Leuten zusammen, ja. Für die letzte Karte beispielsweise hatte ich die Idee, mit Whisky zu arbeiten, mit dieser rauchigen, holzigen Note. Ich besprach das mit meinem Souschef Thomas Pape, wir suchten gemeinsam nach passenden Komponenten und entschieden uns am Ende für Foie gras und Kastanie.
Was ist für Sie bei der Komposition von Gerichten wichtig?
Das Spiel mit Gegensätzen. Mit Süsse und Säure beispielsweise, mit cremigen und knusprigen Komponenten, insbesondere aber auch mit verschiedenen Temperaturen, die meiner Ansicht nach für die Harmonie am Gaumen entscheidend sind. Beim Anrichten bin ich dann relativ spontan. Ich mache keine Fotos von den Tellern, die in der Küche hängen und die Optik genau vorgeben. Die Kombination muss stimmen, aber ob jetzt eine Komponente einen Millimeter weiter rechts oder links liegt, ist doch egal.
Sie hinterlassen aber schon den Eindruck eines recht ausgeprägten Perfektionisten.
Ist das so?
Ja.
Okay. Ich höre oft, wie ruhig und gelassen ich stets wirke. Innerlich setze ich mich aber tatsächlich sehr unter Druck, das stimmt und ist mir auch bewusst. Ich brenne für das, was ich tue, und wenn ich morgens in die Küche komme, kann ich nicht rumstehen und Kaffee trinken. Da muss es vorwärtsgehen. Ich hab meinen Ehrgeiz, und ja, ich bin vermutlich perfektionistisch veranlagt.