03.10.2023 Salz & Pfeffer 5/2023

Taktisch klug

Interview: Sarah Kohler – Fotos: Njazi Nivokazi
Fabio Toffolon und Dominik Sato vermarkten sich als The Twins und haben endlich eine gemeinsame Wirkungsstätte gefunden. Eine, die auf der ganzen Linie zu ihnen passt.
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«Wir haben uns bei Michelin proaktiv erkundigt, ob wir uns in die richtige Richtung bewegen.»

Sie machen Ihrem Ruf als eineiige Zwillinge alle Ehre – nicht nur optisch, sondern auch charakterlich: als zwei überaus ambitionierte Typen. Waren Sie schon immer so?
Fabio Toffolon: Absolut. Es ist an dieser Stelle natürlich ein bisschen müssig, aber wir behaupten: Wären wir Fussballer geworden, hätte es uns vermutlich in den Spitzensport verschlagen.
Dominik Sato: Das ist unsere grösste verpasste Chance! Dafür, dass wir nie in einem Verein waren, spielten wir nämlich wirklich sehr gut Fussball.
Toffolon: Ja, und auch im Turnverein oder am Schaffhauser Laufcup, den wir in der Jugend erfolgreich bestritten, war es uns immer wichtig, unter den Besten zu sein.

Sind Sie über diesen Ehrgeiz auch mal gestolpert?
Sato: Nein, das würde ich so jetzt nicht sehen.
Toffolon: Ich auch nicht. Aber klar, wenn man sehr ehrgeizig ist, gehören Phasen der Enttäuschung dazu. Die hatten wir beide – beruflich gesehen – durchaus. Wir wissen ja, was wir kulinarisch können, und auf unseren letzten Posten im Zum Äusseren Stand respektive im Seepark Thun wären wir zugegeben gerne höher bewertet worden. Im The Chedi Andermatt rechnen wir uns jetzt doch grosse Chancen auf den zweiten Stern aus.
Sato: Wobei wir vorher wirklich nicht schlechter kochten als heute in Andermatt.
Toffolon: Aber rundherum ist es hier noch einmal ein anderes Level: das gesamte Ambiente, nur schon das Geschirr, die Qualität des Servicepersonals...

Bleiben wir kurz bei der Enttäuschung. Wie gehen Sie damit um?
Sato: Mit Alkohol. Nein, Scherz! Abschütteln, weitermachen.
Toffolon: Das ist der einzig richtige Weg. Wir sind generell sehr positive Menschen, sehen das Gute und bleiben optimistisch.

Einen Tag nach Veröffentlichung dieses Interviews findet in Lausanne die Michelin-Verleihung statt – und Sie wissen, ob es für den zweiten Stern gereicht hat. Wie fest dreht sich Ihre Arbeit darum?
Sato: Unsere Karte ist absolut auf den zweiten Stern ausgelegt, so viel ist klar. Und wir haben uns bei Michelin auch proaktiv erkundigt, ob wir uns in die richtige Richtung bewegen, ob allenfalls etwas am Konzept oder an unserer Arbeit einem zweiten Stern im Weg stehen könnte. Wir werden es bald erfahren.
Toffolon: Grundsätzlich kochen wir vom Amuse-Bouche an so, dass es ein Feuerwerk ist. Das ist uns wichtig. Wir wollen kein Menü, das möglichst subtil beginnt, dann langsam einen Spannungsbogen aufbaut und sich langsam steigert – bei uns zeigen schon die Snacks, worauf das Ganze hinausläuft.

Eine entscheidende Rolle in Ihrer Küche spielen klassische Luxus­ produkte: Austern, Hummer, Kaviar. Ist das noch zeitgemäss?
Sato: Unserer Meinung nach: ja. Wir können nachvollziehen, dass andere Restaurants auf regionale Lebensmittel setzen und ihren Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit legen. Das ist wichtig und finden wir gut – sofern es keine leeren Floskeln sind und der Rahmen passt. Wir persönlich waren jedoch noch nie besonders dogmatisch und halten Abwechslung in der Branche für etwas Positives. Es wäre doch schade, wenn sich alle Küchen gleich ausrichten würden.
Toffolon: Bei uns geht es schlicht und ergreifend um absolut die beste Qualität. Wenn die allerbeste Wachtel aus Andermatt käme, würden wir die nehmen, keine Frage. Aktuell stammt sie aber aus dem Elsass. So wie Wagyu aus Japan qualitativ jedem anderen überlegen ist – mit Abstand. Da machen wir keine Abstriche und haben entsprechend Anpassungen vorgenommen.

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Balfego-Thunfisch – Daikon, Mioga, Shishitopfeffer, Kristal Caviar
Balfego-Thunfisch – Daikon, Mioga, Shishitopfeffer, Kristal Caviar
Fabio Toffolon
Fabio Toffolon
Dominik Sato
Dominik Sato
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Norwegischer Hummer – Miso, Zucchetti, Zitrus
Norwegischer Hummer – Miso, Zucchetti, Zitrus
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Brombeere – Maracaibo-Schokolade, Shiso, Piemonteser Haselnuss
Brombeere – Maracaibo-Schokolade, Shiso, Piemonteser Haselnuss
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Dazu passen die beruflichen Stationen, die Sie absolviert haben: mit Vorliebe auf höchstem Niveau.
Sato: Sie haben uns alle geprägt, besonders aber vermutlich die Zeit bei Christian Bau. Bei ihm waren wir beide, wenn auch nicht gleichzeitig. Und dann spielt sicher auch unser Flair für Japan mit rein: das Land des Perfektionismus. Und, um darauf zurückzukommen: Dort fängt es eben beim Produkt an. Da wir im The Chedi Andermatt die Möglichkeit haben, das perfekte Lebensmittel, sofern man davon sprechen kann, zu beziehen, tun wir das selbstverständlich.
Toffolon: Das kommt uns enorm entgegen: Das Maximum ist hier explizit erwünscht. Ganz ehrlich: Wenn wir beide vorher vor allem für unsere regionale Küche bekannt gewesen wären, hätte es uns vermutlich nicht hierher verschlagen.

Inwiefern macht sich in Ihrer Zusammenarbeit denn nun bemerkbar, dass Sie beruflich bislang getrennt unterwegs waren?
Sato: Das ist ein riesiger Vorteil. Im Gesamten haben wir so mehr verschiedene Stationen gesehen, mehr Erfahrungen gesammelt.
Toffolon: Und von all diesen profitieren wir beide. Allerdings nicht erst jetzt: Wir tauschten uns auch schon vor der gemeinsamen Küchenleitung im The Chedi Andermatt regelmässig aus und teilten miteinander, was wir an unseren Arbeitsorten gesehen und gelernt hatten.

Sind Sie zusammen besser als einzeln?
Toffolon: Das würde ich sagen. Obschon wir beide ja eben behaupten, dass wir kulinarisch letztes Jahr – also separat – schon bereit für den zweiten Stern gewesen wären. Trotzdem können wir hier gemeinsam noch einmal ein Stück mehr. Viele Köche und Köchinnen sind ja extrem stolz und lassen sich ungern reinreden. Das trifft auf uns ein Stück weit auch zu, aber wir sind durchaus selbstkritisch – und haben untereinander überhaupt kein Problem, dem anderen recht zu geben. Wir suchen wirklich zu zweit die beste Lösung. Unser Zusammenspiel ist ein sehr grosser Gewinn.

Eine Rollenverteilung gibt es bei Ihnen aber doch.
Sato: Ja, aber sie ist nicht fix. Als wir im Mai im Restaurant The Japanese starteten, stand Fabio in der Küche am Pass, während ich vom Tresen im Gastraum aus die kalten Apéros und Vorspeisen, Pré-Desserts, Desserts und Petits fours schickte. Inzwischen haben wir getauscht: Jetzt arbeitet Fabio an der Front und ich bin im Hintergrund am Werk.

Die Arbeit vorne sei bequemer, der Posten in der Küche begehrter, sagen Sie. Warum ist das so?
Sato: Weil da die Musik spielt! Nein, im Ernst: Hinten ist es zwar oft stressiger, es gibt aber auch mehr Action und Adrenalin.
Toffolon: Und das ist, was wir beide am liebsten mögen.

Zur Person
Dominik Sato (34) absolvierte seine Lehre im Restaurant Gemeindehaus in Neunkirch. Es folgten diverse Stationen in der Schweiz, unter anderem bei André Jaeger in der Fischerzunft, bei Peter Knogl in Basel und bei Heiko Nieder im The Restaurant. Auslandserfahrung sammelte Sato bei den Drei-Sterne-Köchen Christian Bau in Deutschland und Sergio Herman in den Niederlanden. Zuletzt war er im Congress Hotel Seepark in Thun tätig, in dem er als Souschef das kulinarische Programm des Gourmetlokals verantwortete und einen Stern sowie 17 Punkte holte. Seit Mai nun teilt er sich den Posten mit seinem Zwillingsbruder Fabio Toffolon: Die beiden beerben den mit 17 Punkten und einem Stern dotierten Dietmar Sawyere und verantworten im The Chedi Andermatt die Restaurants The Japanese und The Japanese by The Chedi Andermatt auf dem Gütsch.
thechediandermatt.com

Zur Person
Fabio Toffolon (34) absolvierte seine Lehre im Restaurant Beckenburg in Schaffhausen. Es folgten diverse Stationen in der Schweiz, unter anderem bei André Jaeger in der Fischerzunft, bei Reto Lampart in Hägendorf, bei Werner Rothen im Schöngrün sowie bei Rolf Fliegauf in St. Moritz und Ascona. Auslandserfahrung sammelte er beim mit drei Sternen ausgezeichneten Christian Bau in Deutschland. Seine erste Küchenchefstelle übernahm Toffolon im August 2019: Im Restaurant Zum Äusseren Stand in Bern erkochte er sich 16 Punkte und einen Stern. Seit Mai nun teilt er sich den Posten mit seinem Zwillingsbruder Dominik Sato: Die beiden beerben den mit 17 Punkten und einem Stern dotierten Dietmar Sawyere und verantworten im The Chedi Andermatt die Restaurants The Japanese und The Japanese by The Chedi Andermatt auf dem Gütsch.
thechediandermatt.com