Für den Wigl-Verlag ist die Empfehlung von HGF Schweiz eine Lizenz zum Gelddrucken. 2024 traten 1485 Personen eine Lehrstelle als Koch/Köchin EFZ an, was einem Potenzial von über einer Million Franken entspricht. Dazu kommen die jährlichen Beiträge der Lehrbetriebe. Und die Ausbildung Koch/Köchin ist nur ein Standbein. Bereits für die zuvor revidierten Lehrgänge Restaurantfachfrau/-fachmann EFZ (2019) sowie Hotellerie/Hauswirtschaft (2024) bietet der Verlag digitale Lerninhalte für alle Lernorte an.
Nicht immer sprudelten die Umsätze bei Wigl so kräftig wie heute. Nach Recherchen dieser Redaktion steckte der von Berufsschullehrer Jörg Wyss gegründete Verlag um das Jahr 2010 herum in finanziellen Nöten. Ausgerechnet die Hotel & Gastro Union, damals unter der Führung von Urs Masshardt, sprang mit einem Betriebsdarlehen in unbekannter Höhe in die Bresche. Der Interessenkonflikt – Masshardt amtete damals als Vorstandsmitglied von HGF Schweiz – war innerhalb der Hotel & Gastro Formation Schweiz bekannt.
Sicher ist: Seit der Finanzspritze ging es wieder aufwärts mit dem Verlag. So erhielt Wigl von HGF Schweiz den Zuschlag für die Lehrmittel der 2013 neu geschaffenen Ausbildung Systemgastronomiefachfrau/-fachmann. Auch bei der Basisqualifikation, den Progresso-Kursen, wurde jüngst auf Wigl umgestellt. Heute kommen Lernende der Berufe Restaurantfach, Systemgastronomie, Hotellerie/Hauswirtschaft, Hotelkommunikation und Küche praktisch nicht mehr darum herum, eine Lizenz für Lerninhalte von Wigl zu lösen. Das könnte sich aber bald ändern.
Dieses Jahr entwickelte die Schaffhauser Sektion von HGF eine alternative digitale Lösung, die unter anderem eine Lerndokumentation (Skillsdoc) und ein arbeitsmarktorientiertes üK-Programm beinhaltet. Gestaltet nach den aktuellsten lernwissenschaftlichen Standards in einem hybriden System (siehe Box). «Wir hatten im Kanton eine grosse Anzahl an Lehrabbrüchen zu beklagen», sagt Sandra Tappolet, Präsidentin von HGF Schaffhausen.
Bei der Analyse habe man erkannt, dass für Lernende im Kanton fast ein Dutzend Unterstützungsangebote existieren, aber kein einziges für die Ausbildner. «Eine Umfrage hat zudem ergeben, dass die bestehenden Angebote für die Lerndokumentation bei Lernenden sowie Ausbildnern als zu kompliziert und praxisfern empfunden werden.» Das Resultat: Die Lerndokumentation wurde oft mangelhaft oder gar nicht durchgeführt.
Die mit dem Schaffhauser Innovationspreis Prix Vision ausgezeichnete Lösung Skillsdoc verfolgt einen explizit praxisnahen Ansatz, der es Lernenden und Ausbildnern im Alltag der Gastronomie einfach macht, die vorgeschriebene Lerndokumentation unbürokratisch zu erledigen. Konkret verfolgt die Neuentwicklung einen strikten Mobile-First-Ansatz. «Das Smartphone ist den Lernenden am nächsten, als Tool ist es matchentscheidend», sagt üK-Instruktor und Fachautor Lukas Pem. Die Lösung sei gemacht von der Praxis für die Praxis, mit wenigen Klicks zu handhaben und ohne grosse Reflexionsarbeiten wie bei anderen Anbietern. Dafür sind gezielte analoge Arbeiten fester Bestandteil im didaktischen Konzept. «Die sind zentral für den Lernerfolg», so Pem.
Einzigartig bei der Plattform von HGF Schaffhausen sind die Best-Practice-Anleitungen für Berufsbildende. «Wir wollen die Lehrmeisterinnen und Lehrmeister im unterstützenden Sinn eng begleiten, das beginnt bei der Schnupperlehre und hört damit auf, wie man die Lernenden nach bestandenem Qualifikationsverfahren in die Welt hinausschickt», fasst Tappolet zusammen. Auf der Plattform finden Berufsbildende ab 2026 insgesamt zehn detaillierte Best-Practice-Standards. Zudem werden sie bei Bedarf von einem Supportteam, bestehend aus erfahrenen Gastropersönlichkeiten, unterstützt.
Grundsätzlich kann jeder Schweizer Lehrbetrieb in der Deutschschweiz bei Skillsdoc einsteigen und das System ausprobieren. Dieses Jahr ist die Nutzung kostenfrei. Offizieller Start ist das Schuljahr 2026/2027. Auch dann bleiben die Kosten überschaubar. Ein Lernender zahlt für die gesamte Ausbildung einmalig 99 Franken, für die Ausbildungsbetriebe ist die Nutzung gratis. Zumindest im Nachbarkanton St. Gallen stösst Skillsdoc, das mittlerweile für alle Gastroberufe in den Profilen EFZ und EBA zur Verfügung steht, bereits auf reges Interesse. «Bis jetzt haben sich 45 Ausbildungsbetriebe angemeldet», sagt Martin Erlacher, Fachbereichsleiter des Gewerblichen Berufs- und Weiterbildungszentrums St. Gallen.