Man versucht gar nicht erst, Etepetete-Gourmetrestaurant zu spielen.
Taiko nennt man in Japan die Trommel. Die dicke Trommel, um genau zu sein. Und die ist nicht nur im virtuellen Sinne da, im Namen des Restaurants, die schlägt tatsächlich jemand, nicht übertrieben laut, aber deutlich und willkommen heissend, sobald sich Gäste dem Eingang nähern. Ein Mitarbeiter wurde eigens zu diesem Zweck engagiert. Und es nähern sich viele an diesem Sommerabend. Ein Samstag, der letzte Tag vor den Betriebsferien im August. Touristen und Touristinnen sind zwar nicht ganz so viele da wie zu anderen Jahreszeiten, aber doch noch eine ganze Menge. Und wenn die genug davon haben, all die Klischees abzuarbeiten, sich sattgesehen haben an Coffeeshops, Käseläden und Rotlichtviertel-Schaufenstern, sind sie vielleicht hier. Bei Schilo van Coevorden, dem Küchenchef des Taiko.
Viel herumgekommen in Asien sei der, erfährt man, aber das ist wohl nur die halbe Wahrheit. Die ganze könnte lauten, dass man in den Niederlanden von Kindesbeinen an in Kontakt kommt mit fernöstlichen Aromen, der kolonialen Vergangenheit sei Dank. Schon als Zehnjähriger sass der Autor dieses Artikels ja bei indonesischen Reistafeln in Venlo oder Rotterdam und fragte sich erstaunt, warum die deutschen Wirtinnen und Wirte Vergleichbares nicht ansatzweise hinbekamen.
Doch im Taiko, dem Restaurant mit dunklem Holz und Backsteinwänden, geht es nicht um Reistafeln, sondern um eine subtile Verbindung von Fernem und Nahem, vor allem aber um lässigen Charme. Fusionsküche mit leichter Hand und mitnichten als Alibi, um bei der Authentizität der aus Fernost importierten Zutaten zu mogeln. In dem monumentalen Hotel Conservatorium, das einst die Postbank beherbergte und sich dann zum Musikkonservatorium sowie schliesslich zum Hotel wandelte, funktioniert Lockerheit prima. So wie überall in den Niederlanden. Man versucht gar nicht erst, Etepetete-Gourmetrestaurant zu spielen. Die Tische stehen nicht zu weit auseinander, Kundinnen und Kunden wirken fröhlich, Krawatte und Abendkleid trägt niemand.
Diese lockere Selbstverständlichkeit allerdings beinhaltet sehr wohl einen Sommelier, der sich bei Sake auskennt. Nicht weniger als zehn japanische Reisweine stehen auf der Karte im Offenausschank, Sparkling, Honjozo, Junmai. Sagen einem nicht die Gastronomen und Gastronominnen der Schweiz, dass so etwas nicht funktioniere? Könne man nicht verkaufen, weil die in der einmal geöffneten Flasche schnell verdürben. Also bietet man lieber nur einen an. Oder gar keinen. Vorsichtshalber. Und wundert sich dann, warum keiner nachfragt und die Gäste lieber anderswo einkehren.
Zum Glück scheinen die Bedenkenträger in Amsterdam in der Minderheit zu sein. Die Macherinnen überwiegen. Also jene, die unter Fusion nicht immer nur Wasabi und Wagyu verstehen, auf Nummer sicher gehen, den Gast nicht verprellen wollen. Die asiatischen Küchen bieten ja doch eine ganze Menge mehr – und niemand glaubt hier, dass man beim Thema Fusion ausschliesslich Japan berücksichtigen dürfte. Da wäre zum Beispiel Pani Puri, jener auf den Strassen verkaufte Schnellimbiss Indiens oder Pakistans. Selten zu bekommen in der europäischen Gastronomie, weil ja kaum ein hiesiger Koch respektive eine hiesige Köchin Ahnung davon hat, wie man die Teighülle so zubereitet, dass diese erstens geschmacklichen Eindruck macht und zweitens den Gaumen erreicht, bevor sich der Crunch aufgelöst hat. Hier gelingt beides, weil Taschenkrebs und Mais erst im letzten Moment zugefügt wurden. Kaisergranat wiederum ist mit Chili im thailändischen Stil so kombiniert worden, dass die Textur der Krustentiere nicht überdeckt wird. Klar, dass die Tiere von hier stammen: Die Frische von Fisch und Co. gilt im Nordseeanrainerstaat als Ehrensache. Auch das Lamm ist von hier. Mit Szechuanpfeffer wurde es angereichert, sanft grilliert, saftig und knusprig serviert. Der Minitischgrill mag eher unter Show einzustufen sein, aber schaden tut er nicht. Weil alle lächeln und schwatzen, und weil der Sommelier beweist, dass kraftvoller Daiginjo auch zu Fleisch passt, ist die Stimmung immer noch exzellent.