05.04.2022 Salz & Pfeffer 2/2022

Und jetzt?

Text: Tobias Hüberli – Illustrationen: Philip Schaufelberger
Zwei Jahre Pandemie haben die Betreiberinnen und Betreiber 
von Personalrestaurants hart getroffen. Wir haben der Branche den Puls gefühlt und wissen wollen, wie es nun weitergeht.

«Zu denken, alles werde wieder wie früher, ist ein Irrglaube.»

Zwei Wochen nachdem der Bundesrat Mitte Februar das Ende der Home­office-Pflicht verkündet hatte, verkaufte das Personalrestaurant K1 am Hauptsitz der Swiss Re in Zürich rund 600 Mittagessen pro Tag. Zum ersten Mal, muss man sagen, denn die Lokalität wurde zu Beginn der Pandemie fertig umgebaut und konnte den Betrieb seither gar nie in vollem Masse aufnehmen. Mittelfristig rechnet Gastronomieleiterin Johanna Altenberger im Selbstbedienungsrestaurant mit einer Frequenz von täglich zwischen 600 und 900 Mittagessen und sagt gleichzeitig: «Zu denken, alles werde wieder wie früher, ist ein Irrglaube.»

Mit dem vorläufigen Ende der Pandemie-Massnahmen endete für die Betreiberinnen und Betreiber von Personalkantinen ein zwei Jahre dauernder Albtraum. So brach bei der Genossenschaft ZVF-Unternehmungen 2020 der Umsatz gegenüber dem Vorjahr um über 48 Prozent ein. Davon betroffen waren in erster Linie das Eventbusiness sowie aufgrund der Home­office-Pflicht die gesamte Gastronomie im Bürosektor. Wenig besser erging es dem Grosscaterer Eldora – sein Umsatzrückgang betrug in der gleichen Periode 40 Prozent. Zahlen für 2021 waren bis Redaktionsschluss noch keine bekannt.

Es gab indes auch Lichtblicke. So eröffnete Eldora 2021 sechs neue Betriebe (und schloss nur deren zwei). Bei den ZFV-Unternehmungen blieb die Anzahl Mensen und Personalrestaurants konstant, derweil die SV Group während der Pandemie zwar einige Lokale schliessen musste, aber auch zahlreiche neue Restaurants eröffnen konnte. Aktuell betreibt sie 550 Personalrestaurants und Schulmensen, davon 300 in der Schweiz.

Trotzdem haben die letzten zwei Jahre das Geschäft der Personalgastronomie dramatisch verändert. «Die Pandemie war ein regelrechter Brandbeschleuniger für Entwicklungen, die sich bereits seit einigen Jahren angekündigt hatten», sagt Trendforscherin Christine Schäfer vom Gottlieb Duttweiler Institut. Das Konzept Home­office, gegen das sich viele Unternehmen lange gesträubt hatten, war von einem Tag auf den anderen nicht nur salonfähig, sondern Pflicht. Die Digitalisierung der Gesellschaft schritt innert Wochen schneller voran als in den zehn Jahren davor, und auch das Bedürfnis nach gesundem, pflanzlichem, kohlenhydrat- oder sonstwasarmem Essen stieg nochmals kräftig, sobald sich die Homeoffice-Tage auch auf der Waage eindrücklich bemerkbar machten.

Die Caterer, allen voran die vier Grossen (ZVF-Unternehmungen, Eldora, Compass Group sowie SV Group), mussten ihr Geschäftsmodell innert Tagen anpassen, begriffen die Krise aber auch als Chance. «Wir haben die Zeit während der Pandemie genutzt, um neue, zukunftsgerichtete Angebote zu entwickeln», sagt etwa Christian Hürlimann, Direktor Deutschschweiz bei Eldora. Dazu gehört zum Beispiel ein Click-and-Collect-­System, mit dem der Gast einerseits ­Wartezeiten bei der Menüausgabe umgeht, andererseits Food-Safe-Menüs online bestellen und nach dem Mittags­service zu einem günstigeren Preis abholen kann. Die ZFV-Unternehmungen wiederum verweisen auf ihr auto­matisiertes, modular aufgebautes 24-7-Konzept Nelli’s Corner, das es Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erlaubt, sich rund um die Uhr mit frischen Gerichten zu verpflegen. «Sie können per App einchecken, auswählen und das Bestellte ohne Anstehen an der Kasse mitnehmen. Die gewählten Produkte werden automatisch erkannt und direkt abgerechnet», erklärt Patrik Scheidegger, COO Gastronomie, das Pilotprojekt.

Auch bei der SV Group ist vieles in Bewegung geraten. «In den letzten zwei Jahren haben wir gelernt, uns blitzschnell auf die sich plötzlich ändernden Situa­tionen einzustellen», sagt Yvonne Wicki Macus, Leiterin des Konzernbereichs Gemeinschaftsgastronomie. So wurden etwa für das Delivery-Angebot intuitiv bedienbare Online-Bestellplattformen geschaffen und auch smarte, mittels App zu öffnende Kühlschränke forciert. In einigen Restaurants erfolgen Bestellungen inzwischen nicht mehr am Tisch oder an der Theke, sondern kontaktlos am Bestellbildschirm.

Die grosse Frage lautet: Was jetzt? In welche Richtung wird sich der Markt für Business Catering in der Schweiz entwickeln? Bei der Swisscom rechnet man laut Mediensprecherin Sabrina Hubacher nach wie vor mit einer guten Auslastung der gastronomischen Angebote. «Die Personalrestaurants sind Teil des internen Socializing, effizient und insbesondere an Standorten ohne externe Angebote sehr wertvoll.» Allerdings gab es, so Hubacher, bereits vor der Pandemie starke und schwächere Tage. Diese Entwicklung dürfte sich in Zukunft akzentuieren.

Laut Berechnungen des Staatssekretariats für Wirtschaft könnten bis 2050 bis zu 40 Prozent der Erwerbstätigen im Home­office arbeiten. «Ich empfehle jedem und jeder Verantwortlichen in der Gemeinschafts­gastronomie, sich zu bewegen», sagt Johanna Altenberger. Die zunehmend hybride Arbeitswelt erfordert neue Angebote. Bei der Swiss Re rechnet man damit, dass künftig 20 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter montags und freitags im Homeoffice bleiben. «Aus einem Produktionskanal heraus bedienen wir mittlerweile viele unterschiedliche Verkaufskanäle.» So können die Angestellten zum Beispiel vollwertige Take-away-Menüs ordern und für den Tag im Home­office nach Hause nehmen.

Immer wichtiger wird laut Altenberger auch die Abendverpflegung. «Wir sind eine international tätige Firma, viele Videocalls, etwa mit den Vereinigten Staaten, finden spätabends statt.» In den vergangenen Jahren habe man da einen wachsenden Verkehr von Lieferdiensten beobachtet, die im Haus ein und aus gingen. «Da werden wir entsprechende Angebote entwickeln, auch weil wir davon überzeugt sind, dass wir intern ein bedürfnisgerechtes und flexibleres Angebot erstellen können.»

Der Markt für das Business-Catering-Geschäft werde in der Schweiz schrumpfen, schätzt indes Hürlimann von Eldora. Über Kennzahlen verfügt der Branchenexperte zwar keine, aber eigentlich sei die Rechnung relativ einfach. «Um ein Personal­restaurant subventionsfrei betreiben zu können, braucht man zwischen 250 und 300 Mittagessen.» Jene Kantinen, die vor der Pandemie bereits knapp an dieser Schwelle standen, rutschen nun in die roten Zahlen, weil der Anteil von Homeoffice ansteigt.

Um in dem verstärkten Konkurrenzkampf erfolgreich zu sein, so Hürlimann, brauche es einen innovativen und undogmatischen Ansatz. Dazu gehören clevere, auf die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zugeschnittene Lösungen. «Wir sind nach wie vor zu Investitionen bereit, allerdings hängt es auch davon ab, wie partnerschaftlich und risikobehaftet das angebotene Geschäft ist.» Oder in anderen Worten: Anstelle von reinen Pachtverträgen, mit denen die Caterer das gesamte Risiko selbst tragen, sollen vermehrt sogenannte Mandatsverträge zum Zug kommen. Dabei übernimmt der Auftraggeber oder die Auftraggeberin eine Defizit­garantie – und zeigt damit auch, dass die Verpflegung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter integraler Teil der Firmen­philo­sophie ist.