Beim Gin geht es um Komplexität, Intensität und Nachhaltigkeit», sagt Christine Brugger, Gin-Macherin aus Friedrichshafen am Bodensee, Wahl-Zürcherin, Sensorikerin und Berufsperfektionistin. Eine Aussage, die vermutlich jeder Brenner dieser Welt unterschreiben würde. Leider wohl auch der, dem es gar nicht um Qualität geht, sondern der in den vergangenen Jahren einfach mal angefangen hat, den schnellen Franken zu machen.
War ja auch allzu einfach, irgendwelchen Grundschnaps mit ein paar Kräutern und Gewürzen, den sogenannten Botanicals, zu mischen, alles nochmals zu destillieren und das Ergebnis in schicke Flaschen zu füllen. Anders als bei Kirschwasser und Malt Whisky braucht der gewiefte Marketingfuzzi für einen coolen Gin weder Hochstammbäume noch Geduld und alte Fässer. Eigentlich genügen schon eine Geschichte, eine Verkaufsstrategie und ein paar gute Grafiker fürs Etikett. Notfalls erfinde man noch allerlei Brimborium, verarbeite Trüffel in den Schnaps, füge Blattgold hinzu oder setze auf Farbe. Ob das alles wirklich zusammenpasst oder einfach nur penetrant schmeckt, interessiert ja doch nur wenige. Ein bisschen Tonic Water dazu, reichlich Eiswürfel hinein und ein Thymianzweig on top – fertig ist der Mixdrink für Millennials. Es soll Hotels geben, die so was sogar zum Burger empfehlen und damit nur beweisen, dass ihnen kein gutes Konzept einfällt.
Zum Thema Tonic später mehr. Erst mal zu denen, die sich Gedanken und Sorgen machen. Und dazu, wo man sich beraten lassen kann zu den guten und den albernen Gins. Christine Brugger am Bodensee, die ihren Organic Gin in zwei Varianten produziert: Ginn und Ginnie. Nur mit Botanicals aus kontrolliert biologischem Anbau. Ersterer eher harzig-würzig mit Noten von Zitrus und Rosmarin. Männlich sagen alle, die sich in Genderfragen klar positionieren. Der andere angeblich feminin, auf jeden Fall duftig, fein, elegant, mit Spuren von Jasmin und Engelwurz. Passt alles gut zusammen, ohne beliebig zu wirken. Hat einen langen Abgang, würden Weinkenner ergänzen. Und hat ausserdem das, was die Verbraucher begeistert: den regionalen Touch.
Wer sich informieren will, was in der Schweiz und in der näheren Umgebung hergestellt wird, muss allerdings gar nicht Seen, Berge und Täler abklappern, sondern kann einfach in die 4 Tiere gehen, die Gin-Bar par excellence von Zürich – nein, der Schweiz. Andreas Kloke, der geschäftsführende Barkeeper, hat sage und schreibe 330 Gins gesammelt und weiss, dass man die Frage nach dem Trend zum Gin nicht eindeutig beantworten kann. Wer in die Zürcher Spezialdestination kommt, schwimmt ja eh nicht auf der Welle des Angesagten. Schweizer Produkte und hochwertige Waren laufen, im Unterschied zum internationalen Mainstream-Gin, gerade bombig.
Die Schweiz und der Wacholder
Hohen Wert hat auch der Schnaps aus Graubünden. Breil Pur nennt er sich und ist erst seit ein paar Jahren zu haben. «Mein Geschäftspartner Gustav Inglin und ich haben als Quereinsteiger in Zusammenarbeit mit dem englischen ‹Gin-Papst› Dr. David Clutton drei traditionelle Gin-Produkte auf dem schweizerischen Markt lanciert», erläutert Co-Erfinder Beat Sidler. Vor vier Jahren erblickte der London Dry Gin unter der Marke Breil Pur das Licht der Bergwelt, seit November 2014 ist zudem der erste Sloe Gin der Schweiz zu haben.
Wer in diesem nur einen Fruchtlikör sähe, läge freilich falsch. Rein biologisch und auf der Basis von Alpenwacholder, Alpenrosen (aus Brigels, von Hand gepflückt!) und Schokoladenminze (aus dem Tessin) gemacht. Weil in der Nähe von Brigels handwerklich gebrannt, weil jede Flasche von Hand gefüllt und einzeln nummeriert wird, rangieren die Preise deutlich über den Tarifen, die Standard-Gin aus dem Supermarkt kostet. Ist den Leuten aber egal. Und wenn ein bisschen Süsse im Gin zu schmecken ist, stört das ebenfalls niemanden.