«Aufschlussreich sind Gespräche mit Zimmermädchen.»
Sie gelten seit über 20 Jahren als profiliertester Hoteltester der Schweiz. Wie hat sich die Branche während dieser Zeit verändert?
Karl Wild: Ich beobachte fast nur positive Entwicklungen. Die Schweizer Luxus-hotellerie gehört dank gewaltiger Investitionen von Privatpersonen wieder zur Weltspitze. Im Drei- und Vier-Sterne-Bereich gibt es etwas Nachholbedarf, doch insgesamt haben auch diese Häuser grosse Fortschritte gemacht. Zu dieser Entwicklung beigetragen hat auch eine neue Generation von Hoteliers. Diese verkörpern nicht mehr den Patron, der unantastbar ist, sondern sind Teamplayer.
Ausländische Investoren stecken Hunderte Millionen von Franken in Schweizer Hotelprojekte. Wo bleiben eigentlich die einheimischen Geldgeber?
Diese Investoren aus Asien und dem Nahen Osten sind insgesamt ein eher neues Phänomen. Sie stehen im medialen Rampenlicht, und so entsteht der Eindruck, es mangle an Schweizer Investoren. Das Gegenteil ist der Fall: Die grossen Investitionen kamen meist von einheimischen Geldgebern. Man denke an Thomas Schmidheiny und das Grand Resort in Bad Ragaz, Urs Schwarzenbach und das Dolder Grand oder Thomas Straumann und das Les Trois Rois in Basel. Sie sind nur ein paar von vielen Schweizer Investoren, die ohne grosses Aufsehen eine Menge Geld in die Branche steckten. Dem Gast ist es eigentlich wurscht, wem ein Haus gehört. Ihn interessiert, ob das Hotel gut ist.
In dieser Frage sind Sie Profi. Worauf achten Sie als Hoteltester?
Ich gehe stets nach den gleichen zehn Kriterien vor. Dazu gehören beispielsweise das Preis-Leistungs-Verhältnis, Charakter und Originalität des Hauses oder die Resultate der Qualitätskontrollen durch führende Hotelvereinigungen. Ich lege Hoteliers ans Herz, der Rezeption höchste Beachtung zu schenken. Sie ist die Visitenkarte des Hauses. Sitzt da einer, der unfreundlich ist, steht das Gästeerlebnis unter einem schlechten Stern.
Ihnen passiert das vermutlich nicht – die Leute kennen Sie.
Ja, und natürlich habe ich es deshalb auch mal mit gespielter Freundlichkeit zu tun. Über zwei Tage, die ich jeweils bleibe, lässt sich die aber nicht aufrechterhalten. Dann merke ich schnell: Die haben keine Freude am Job. Das ist der schlimmste Eindruck, den ein Gastgeber vermitteln kann. Und wenn sich alle nur um mich kümmern, läuft in der Regel nebenan alles falsch. Das ist entlarvend. Sobald ich eingecheckt habe, treibe ich mich im Hotel herum, beobachte, rede mit den Leuten, fühle der Atmosphäre auf den Zahn. Besonders aufschlussreich sind Gespräche mit den Zimmermädchen. Ich bewerte ein Hotel anschliessend nach einem Punkteverfahren. Das Zünglein an der Waage spielt aber immer der subjektive Eindruck, der sich mir auf meinen Streifzügen durchs Haus bietet.
Wie wurden Sie zum Hotelexperten?
Das war Zufall. In den Achtzigerjahren war ich als Sportredaktor oft im Ausland. Damals entdeckte ich meine Liebe zuHotels. Die Faszination des Unbekannten, Menschen aus aller Welt, die da ein und aus gehen – Hotels sind einfach sexy. Jedenfalls ging ich später zur Bilanz, bei der Ratings ein Riesenthema waren, nachdem man gemerkt hatte, wie die Leser darauf abfahren. In einer Redaktionssitzung kam die Idee auf, dass wir nebst den reichsten Schweizern auch eine Rangliste der besten Schweizer Hotels veröffentlichen könnten. Der damalige Chefredaktor fand, ich sei durch meine Reiserei prädestiniert für den Job. So druckte die Bilanz 1997 mein erstes Hotelrating.
Heute engagieren Sie jeweils auch 16 Tester in geheimer Mission. Wer sind diese Leute?
Sie alle verstehen etwas von der Hotellerie. Manche von ihnen waren lange in der Branche tätig oder aber als Küchenchefs in Top-Hotels engagiert, andere sind Schweizer Hoteliers, die im Ausland ein Haus führen und für mich Hotels unter die Lupe nehmen, wenn sie in der Heimat Ferien machen. Gemein ist allen, dass sie die Sache auf eigene Rechnung und wirklich aus Freude machen. Ich pflege ausserdem eine lose Zusammenarbeit mit ein paar Michelin-Inspektoren.