14.10.2024

«Vanille ist nicht gleich Vanille»

Interview: Andreas Bättig – Fotos: z. V. g.
Die Forscherin Irene Chetschik hat mit ihrem Team das Vanillearoma von unterschiedlichen Vanilleschoten auf molekularer Ebene untersucht. Von ihren Erkenntnissen kann auch die Gastronomie profitieren.
ZHAW Foto 3 Aromakit Kakao Aromaforscherin Irene Chetschik Nutzt Methode Der Gaschromatographie Olfaktometrie (002)
«Es kommt auf die Gesamtkomposition an.»

Was interessiert Sie an der Erforschung von Vanille?
Irene Chetschik: An der ZHAW machen wir viel Kakao-Aroma-Forschung. Bei einem Projekt zur Nachverfolgbarkeit und Transparenz im Kakaobereich stellten wir fest, dass im Bereich Vanille noch weniger bekannt und transparent ist. Darüber hinaus gab es zwar Publikationen über flüchtige und aroma-aktive Verbindungen in verschiedenen Vanille-Varietäten, die Daten wurden aber oft mit abweichenden Methoden erhoben. Deshalb wollten wir einen repräsentativen Vergleich der molekularen Aroma-Zusammensetzung durchführen.

Was haben Sie herausgefunden?
Bisher hat man oft nur auf den Vanillingehalt geschaut. Aber unsere Daten zeigen, dass Vanillin zwar die Leitsubstanz ist, es aber viele andere Instrumente im Orchester gibt, die die Symphonie der Vanille erzeugen. Es kommt also auf die Gesamtkomposition an. Auch Vanilleschoten mit weniger dominantem Vanillingehalt können sehr interessante und vielfältige Profile haben. Das Vanilleprofil der Planifolia-Vanille aus Uganda etwa wich vom klassischen Madagaskar-Profil ab. Wir fanden einen Aromastoff, der bisher in der Literatur für Vanille nicht beschrieben war und eher in eine würzige Richtung geht.

Was ist an Ihren Ergebnissen für die Gastronomie interessant?
Unsere Untersuchungen zeigen, dass es jenseits der bekannten Planifolia-Vanille auch andere Sorten mit sehr interessanten Aromaprofilen gibt. Die Herkunft und Varietät spielen eine wichtige Rolle. Es gibt grosse Unterschiede und Nuancen, die in der Gastronomie genutzt werden können.

Vanille 3
Vanille 1

Was würden Sie Gastronominnen und Gastronomen im Umgang mit Vanille raten?
Ich würde empfehlen, auch Vanille von kleineren Produktionsbetrieben und aus weniger bekannten Herkunftsländern auszuprobieren. Experimentieren Sie damit und fördern Sie die Vielfalt! Achten Sie auch auf Fairtrade-Vanille, bei der die Herkunft transparent ist. So können Gastronomen und Gastronominnen mehr Verantwortung übernehmen.

Für die Lebensmittelproduktion wird Vanille auch chemisch hergestellt, richtig?
Ja, die Vanillin-Synthese feiert dieses Jahr ihr 150-Jahre-Jubiläum. Sie wurde in Holzminden erfunden, wo man aus einem Inhaltsstoff der Nadelholzrinde Vanillin gewann. Das war der Grundstein dafür, Vanillin in grösseren Mengen herzustellen und es für alle bezahlbar zu machen. Vanillin ist in der Aromaindustrie der Aromastoff, der weltweit am zweitmeisten verkauft wird, also hinter dem Menthol.

Warum ist das so?
Viele Menschen aus verschiedenen Nationen verbinden Vanille mit einem Gefühl des Wohlbefindens. Es wird als angenehm empfunden und hat eine entspannende Wirkung. Vanille kann sowohl als dominanter Geschmack als auch subtil im Hintergrund eingesetzt werden. Sie eignet sich nicht nur für süsse, sondern auch für herzhafte Gerichte.

Zur Person

Irene Chetschik ist Professorin für Lebensmittelchemie und Aromaforschung und Leiterin der Forschungsgruppe Lebensmittelchemie am Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation der ZHAW in Wädenswil. Ihre Forschungsaktivitäten konzentrieren sich auf die chemische Charakterisierung wertbestimmender Moleküle in Lebensmitteln mit besonderem Schwerpunkt auf aroma-aktiven Molekülen. Dabei kommen Methoden zum Einsatz, die instrumentelle Analyse und menschliche Sinneswahrnehmung kombinieren. Die umfassende Analyse der wertgebenden Lebensmittelinhaltsstoffe entlang der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette ermöglicht die Entwicklung von nachhaltigen, gesunden und wohlschmeckenden Lebensmitteln.