«Ich träume immer noch davon, es anders zu machen.»
Sie seien zu 50 Prozent Koch, sagen Sie. Eine ungewöhnliche Aussage für einen leidenschaftlichen Berufsmenschen.
Sebastian Funck: Es ist aber wahr. Klar gabs Phasen, in denen ich zu 150 Prozent Koch war. Als der Franz ins Leben gerufen wurde zum Beispiel, war ich Feuer und Flamme. Inzwischen bin ich aber an einem Punkt, an dem ich Zeit mit meiner Frau und meinem Sohn verbringen möchte, Raum für mich brauche und erkannt habe, dass es im Leben auch andere wichtige Sachen gibt. Ich hatte immer viele Interessen: Reisen, Neues entdecken, Platten sammeln, auf Konzerte gehen…
Macht Sie diese Vielfalt zu einem profilierteren Koch?
Zu einem entspannteren vielleicht. Mir tuts gut, mich nicht nur mit Kochen zu beschäftigen, ich verspüre weniger Druck als früher. Es ist lustig: Als ich nicht mehr das Gefühl hatte, stets abliefern zu müssen, trat unerwartet der Gault & Millau auf den Plan und bewertete den Franz mit 14 Punkten. Das war schon schön.
Wobei Sie das System durchaus kritisch sehen.
Tatsächlich betrachte ich die Bewertungsgeschichte mit Vorsicht, ja. Natürlich fühlen wir uns geschmeichelt, aber ich bin kein Fan der Flut an Kritiken, der wir ausgesetzt sind. Zur Rolle des Gastgebers gehört für mich eine gewisse Leichtigkeit, und wenn der Druck, Perfektion zu erreichen, so gross wird, dass er die Freude killt, ist das sehr schade. Ich erlebte oft, wie Gastronomen nur noch in eine Rolle schlüpften, um ihre Aufgabe abzuspulen.
Sie sprechen über Ihre Zeit in der Sterne-Gastronomie?
Die war für mich irgendwann schwierig, wenn ich ehrlich bin. Ich bin ein leidenschaftlicher Koch, biss mich da aber nur noch durch. Das ist falsch: Kochen ist sinnlich und schön; man sollte nicht durchbeissen müssen. Klar: Im Franz knallts im Winter auch, und wir müssen abarbeiten, was reinkommt, weil so viel los ist. Aber es braucht ein Gegengewicht: mehr Leichtigkeit, weniger Druck. Das heisst nicht, dass wir larifari arbeiten. Wir haben durchaus einen Anspruch und eine Idee davon, was wir tun.
Allerdings. Die Wirtschaft im Franz ist eine ziemlich philosophiegetriebene Angelegenheit. Erzählen Sie mal.
Wir wollten versuchen, es anders zu machen. Ohne diese Hierarchie, die wir alle kannten. Mich hatte die oft an meine Grenzen gebracht und in meiner Kreativität gebremst. Es machte keinen Spass, dass ständig einer mit der Keule hinter mir stand und mich durchprügelte. Wir hatten also diese Vision vom eigenen Lokal mit einem etwas anderen Dreh: kleines Angebot, weniger Müll. Foodwaste war für uns ein wichtiges Thema.
Ein zentraler Punkt des Konzepts war auch das Kollektiv.
Richtig. Wir wollten den Franz als Gemeinschaft betreiben. Zu Beginn waren wir zu sechst, und die Idee war, dass alle – oder fast alle –, die mitarbeiten, auch Teilhaber sind. Es zeigte sich rasch, dass immer die gleichen paar Leute diskutierten, während sich andere zurückhielten. Uns fehlte die Erfahrung, und wir hatten die Sache mit der Verantwortung unterschätzt: Was es heisst und wie viel Druck entsteht, wenns der eigene Laden ist. Auf eine recht runde Anfangsphase folgte ein schwieriges Jahr – und die Leute kippten nach und nach weg. Übrig sind Ivica Balenovic und ich. Er ist de facto stiller Teilhaber.
Heisst: Der Franz ist Ihr Laden.
Mehr oder weniger. Irgendwann kam der Punkt, an dem es keine andere Möglichkeit mehr gab, als mich Geschäftsführer zu nennen. Ich hatte mich lange dagegen gesträubt und mich der Sache nicht gewachsen gefühlt. In der Küche hatte ich einen Plan, und ich war gern von der Partie, wenns um Entscheidungen ging – aber Geschäftsführer? Alles Buchhalterische war für mich Neuland. Inzwischen verstehe ich einiges und finde es durchaus spannend, aber ich bin kein Tabellenfreak, der mit Genuss an Zahlen schraubt. Zum Glück waren da stets andere Menschen, die die Fähigkeiten mitbrachten, die mir fehlen. Ganz ehrlich: Ich hätte den Laden wahrscheinlich schon zweimal an die Wand gefahren.
Ist die Wirtschaft im Franz ein schwieriges Konzept?
Für mich nicht. Und es gab respektive gibt Leute, die sich hier ruckzuck einfügen – wie meine beiden Köche Aurelio Antolinez und René Blume. Sie sind aufgeweckt und kreativ, haben Bock und Spass. Gut, für René bin ich vielleicht etwas zu chaotisch.
Wie meinen Sie das?
Manchmal merke ich nach einem Service, dass ich ein Gericht überdenken muss. Am nächsten Tag erkenne ich beim Radfahren, was ich ändern will. Ich arbeite aus dem Bauch heraus. Dass das für andere schwierig sein kann, sehe ich ein.
Was inspiriert Sie?
Oh, da ist so vieles! Mit der Zeit habe ich im Kopf eine Art Bibliothek angelegt; mit Einflüssen, Erfahrungen, Gedanken. Betriebe, in denen ich kochte, oder Gerichte, die ich ass, spielen ebenso eine Rolle wie Musik und Kunst oder Menschen, die ich bewundere. Manchmal stimuliere ich meine Kreativität bewusst, blättere in einem Kochbuch, lasse die Bilder auf mich wirken. Aber meist läuft das ohne mein Zutun, ohne gross nachzudenken.
Spannend: Denn Teil des Konzepts im Franz sei, sagen Sie auch, dass Sie ständig nachdenken und alles hinterfragen.
Das schliesst sich nicht aus. Einerseits dachte ich früher beim Entwerfen eines Gerichts zu viel nach und versuche, das weniger zu tun. Andererseits halte ich es für elementar, nicht stehen zu bleiben – indem man alles hinterfragt. Zum Beispiel punkto Nachhaltigkeit: Wir überlegen ständig, wie wir uns da verbessern und noch konsequenter werden können.
Wie halten Sie es denn mit der gesellschaftlichen Verantwortung des Kochs: Soll er seine Gäste erziehen?
Das muss jeder selber wissen. Ich finde, dass ich eine Verantwortung habe und hinter dem Produkt, das ich verkaufe, stehen können muss. Wenn das Label Schweizer Fleisch für einen anderen passt, ist das in Ordnung. Ich will mehr. Wir verkaufen nur Fleisch, das die Bio-Knospe trägt oder von einem Demeter-Hof stammt. Da schauen wir genau hin. Ebenso beim Gemüse, das wir über Picobio beziehen. Ich will aber nicht dogmatisch sein. Momentan stellt sich etwa die Frage, ob wir stärker kommunizieren müssten, dass im Franz alles in Bioqualität auf den Tisch kommt. Eigentlich möchte ich das aber nicht rausposaunen, weil es für mich selbstverständlich ist. Immerhin haben wir ein Manifest.
«Franz ist anders, liebt Menschen, denkt an seine Kinder und ist sich was wert»: Das Manifest haben Sie vor einigen Jahren verfasst. Wie aktuell ist es noch?
Im Grundsatz passt es, aber wir wurden tendenziell konsequenter und haben unsere Idee vertieft. Durch unser Engagement in den letzten Jahren kamen wir mit vielen Menschen in Kontakt, die ähnlich denken – und uns weitere Türen öffneten.