«Das ist für mich spannender, als ein Stück aus Japan einfliegen zu lassen.»
«Das Fleisch ist erstklassig, das weiss jeder», sagt Pascal Kreuzer. Der Küchenchef vom Restaurant Red im Luzerner KKL bringt auf den Punkt, was es – zumindest aus kulinarischer Sicht – übers Wagyu zu sagen gibt: Das Fleisch des japanischen Edelrinds weist ein charakteristisches nussiges Aroma auf, enthält viele ungesättigte Fettsäuren und ist, weil das Fett nicht punktuell, sondern in einer feinen Marmorierung im Muskel verteilt ist, an Saftigkeit und Zartheit kaum zu überbieten. Vom besten (und teuersten) Fleisch der Welt ist da oft die Rede. Entsprechend viele Geschichten ranken sich um die Aufzucht der wertvollen Tiere: von der Bierfütterung bis zur Sakemassage.
Fakt ist, dass Wagyufleisch seine Marmorierung zu 60 Prozent seiner Genetik verdankt. Den Rest macht die Aufzucht. «Da kann man nicht nichts reinlassen», sagt Barbara Lang. Ihre Familie züchtet seit 2012 Wagyurinder und unterhält auf dem Hof Chrummbaum im luzernischen Hellbühl mittlerweile die grösste Herde der Schweiz. 62 Tiere verbringen ihre Zeit auf der Alp, in Mutterkuhhaltung auf der Weide oder in der Mast im Auslaufstall. Zu fressen bekommen sie eine Mischung aus Mais, Gras, Heu, Getreide und Rapskuchen aus eigener Produktion, dazu Sonnenblumenkuchen und Leinsamen von der Ölmühle Briseck, Viehsalz und Mineralstoffe sowie Biertreber von Surseer Bier und Eichhof.
Zurück im Red, in dem Kreuzer Wagyufleisch aus Hellbühl auftischt – mit grossem Erfolg. Das Sashimi im Holzkohlemantel ist ein Renner: «Wir verbrauchten in etwas mehr als drei Wochen acht Kilo Wagyufleisch – bei 65-Gramm-Portionen auf dem Teller», erzählt Kreuzer, der stets spannende Lebensmittel aus der Region sucht. «Für uns war deshalb klar, dass wir mit Wagyu vom Hof Chrummbaum arbeiten wollen», sagt er. Und: «Mich begeistert, dass es in der Schweiz Menschen gibt, die ein solches Produkt mit Interesse verfolgen und sich ihm widmen – das ist für mich spannender, als ein Stück aus Japan einfliegen zu lassen.»
Womit wir mittendrin im Thema stecken. Denn so eng verknüpft die Geschichte des Wagyurinds mit seiner Heimat ist, so klar gibts auch Bestrebungen, das Fleisch der Extraklasse andernorts zu produzieren. Möglich ist das noch gar nicht so lange: Der Export von Wagyu aus Japan (ob als lebendes Rind, Fleisch, Embryonen oder Samen) ist erst seit 2014 zugelassen. Allerdings waren Mitte der Siebzigerjahre bereits einige Tiere für wissenschaftliche Zwecke in die USA gelangt. Die heutigen Populationen ausserhalb Japans stammen mehrheitlich von diesen Rindern ab.
In der Schweiz sind aktuell 17 Züchter am Werk. Pionierarbeit leisteten Claudia und Hansruedi Zimmermann im aargauischen Villigen, die sich 2005 aufs Wagyu einliessen. «Wir mussten uns alles selber erarbeiten», erinnert sich der Landwirt, «auch in administrativen Belangen». So konnte Zimmermann die ersten Wagyukälber anfangs nicht registrieren lassen, weil die Rasse in der Schweiz nicht gelistet war. Den Grundstein für die Zucht legten die Villiger mit Embryonen, die sie in Holland bezogen hatten – mit Erfolg: Sieben von zehn in Leihmutterkühe eingepflanzte Embryonen wuchsen an. Die Ernüchterung folgte bei der Geburt. «Es war nur ein Weibchen darunter», so Zimmermann. Bis heute baut er hauptsächlich die Herde auf. Die Produktionsmenge von jährlich knapp 500 Kilo reicht nur für kleinere Verkäufe. Ab 2020 soll sich das ändern: Zimmermann will rund 150 Kilo alle drei Wochen produzieren.
Das dürfte einige Gastronomen aus der Region freuen. Nadja Schuler vom Hotel und Restaurant zum Hirschen in Villigen etwa. Die Küchenchefin startete vor zwei Jahren aus Neugier erste Versuche mit Edelstücken von Zimmermanns Rindern und serviert seither immer mal wieder Wagyu. «Es ist butterzart.» 2017 kaufte die Köchin ein halbes Rind und verarbeitet nun auch die günstigeren Teile. Aktuell kommt im Hirschen ein Burger auf den Teller. «Das Hackfleisch», sagt Schuler, «ist sehr intensiv und hat mehr Geschmack als das von einem anderen Rind.»
Ganz in der Nähe, im Landhotel Hirschen in Erlinsbach, ist Albi von Felten ebenfalls Abnehmer von Zimmermanns Fleisch. Einmal im Jahr laden der Koch und der Bauer sogar gemeinsam zum Wagyu-Event. «Ich finde, dass der Rücken geschmacklich am wertvollsten ist», sagt von Felten. «Das charakteristische intensive Aroma und die Marmorierung, die beim Wagyu so wichtig ist, kommen bei Edelstücken wie Hohrücken oder Filet, die man auf dem Grill oder im Ofen zubereiten kann, am besten zur Geltung.» Bei gewissen Second Cuts indes könne man die Typizität der Rasse nicht wirklich zeigen. «In einem Ragout ist die Sauce so dominant, dass der Unterschied zu einem anderen Rindfleisch zu wenig spürbar ist, um den höheren Preis zu rechtfertigen.»