«Labels wie MSC sind das Beste, was der Markt hergibt.»
Für sein dunkelrotes Fleisch wird der Thunfisch weltweit geliebt und gejagt. Zu verdanken hat er es seinem aussergewöhnlichen Lebensstil: Solange der Raubfisch in Bewegung ist, strömt sauerstoffreiches Wasser durch seine Kiemen. Stillstand – und wenn nur zum Schlafen – bedeutet für ihn den sicheren Erstickungstod. Sein grosses Herz pumpt massenhaft Blut durch dicht verästelte Gefässe in die Muskeln. Als einziger Warmblüter unter den Fischen kann er seine Temperatur bis zu zehn Grad über jener des Wassers halten.
Nicht immer war der Thon so beliebt wie heute: Bis zum Zweiten Weltkrieg verschmähten die Japaner den Fisch wegen seines roten Fleisches als Arme-Leute-Essen. Heute bezahlen sie dafür Rekordpreise. Rund zwei Drittel des globalen Fangs gehen ins Land der aufgehenden Sonne, werden zu Sashimi zerlegt, zu Maki gerollt oder in eine Konserve verschweisst. Insgesamt landen 80 Prozent der globalen Fangmenge in einer Blechbüchse. Mit der Sushi-Welle gewann der Thunfisch auch in der Schweiz an Popularität, 2016 wurden etwas über 300 Tonnen an frischem und gefrorenem Thon importiert.
Viel ist das im internationalen Vergleich noch immer nicht, und das ist auch gut so: Immerhin gelten sechs von acht Thunfischarten als gefährdet, allen voran der Blauflossenthun. Schweizer Fischhändler führen indes fast nur Gelbflossenthun im Sortiment. Dennoch bleibt die Frage: Darf man Thon heutzutage überhaupt noch mit gutem Gewissen servieren?
«Absolut», sagt Comestibleshändler und Fischexperte Arne van Grondel von der Fideco AG in Murten. Allerdings komme es sehr darauf an, woher das Produkt stamme. «In den Weltmeeren gibt es zahlreiche Populationen von Gelbflossenthunfischen; einige sind gefährdet, andere nicht.» Im Mittelmeer etwa seien die Bestände stark bedroht, in Vietnam hingegen stabil und mit dem Label des Marine Stewardship Council (MSC) zertifiziert. Wie vertrauenswürdig solche Zertifikate sind, darüber scheiden sich die Geister. «Labels wie MSC sind das Beste, was der Markt hergibt», sagt beispielsweise Mike Berchtold von der Braschler’s Comestibles Import AG. «Gäbe es etwas Restriktiveres, würden wir wechseln.» Fischhändler Giulio Bianchi von der Bianchi AG hingegen ist der Meinung, ein MSC-zertifizierter Thon biete «ausreichend Sicherheit».
Hierzulande wird das Fleisch des Thunfischs bevorzugt kurz angebraten, dünn aufgeschnitten, im Sesammantel, als Tatar, als Sushi, Sashimi – oder trendig in der Poké Bowl – serviert. Die Begeisterung für die fetten Toro-Stücke vom Bauch, deren feine Maserung an Wagyu erinnert und die auf der Zunge förmlich zergehen, ist hingegen (noch) nicht in die Schweiz übergeschwappt. Markus Imboden, Küchenchef im Zürcher Restaurant Metropol, versuchte die Gäste im Frühling mit einer Eventreihe auf den Geschmack zu bringen – mit mässigem Erfolg: «Nur rund 50 Prozent der Gäste fanden Gefallen daran.»
Der Schweizer bevorzugt das rote, vergleichsweise magere Rückenfleisch. Besonders beliebt sind die Mittelstücke der Filets, die breiter und weniger sehnig sind als das Fleisch in der Nähe der Schwanzflosse. Ein Grossteil des Thunfischs (bei der Braschler’s Comestibles Import AG sind es rund 70 Prozent) ist für den Rohkonsum bestimmt oder wird nur kurz angebraten. Imboden nimmt die strengen Regeln der Hygieneverordnung – der Fisch muss während mindestens 24 Stunden bei minus 20 Grad oder für mindestens 15 Stunden bei minus 35 Grad gefroren sein – gern in Kauf: «Ich würde Thon nie durchbraten.»