«Der Mitarbeiter verbessert seine Perspektiven, der Arbeitgeber profitiert von mehr Produktivität und Professionalität.»
Kaum eine Branche beschäftigt so viele Quereinsteiger wie die Gastronomie. Ohne ungelernte Hilfskräfte in Küche, Service und Hauswirtschaft, die flexibel und eine kleinere Belastung fürs Budget sind, käme so mancher Betrieb nicht über die Runden. Die Kehrseite dieser Entwicklung ist, dass die Klage über den Fachkräftemangel lauter wird und die Branche unter seinen Folgen ächzt. Nur durch Professionalität und einen Top-Service, darin sind sich Hoteliers und Gastronomen einig, könne die Hochpreisinsel Schweiz ausländischen Wettbewerbern die Stirn bieten oder der einzelne Betrieb sich von der Konkurrenz abheben. Blöd, falls es dann hapert mit der vielbeschworenen Professionalität – aber wenig erstaunlich, wenn das Know-how fehlt.
Gastgeber müssen nicht auf ungelerntes Personal verzichten. Aber sie können diesen Mitarbeitern helfen, sich neue Fähigkeiten anzueignen, Wissenslücken zu schliessen und ihre Arbeitsweise zu professionalisieren. Zum Beispiel, indem sie ihnen ermöglichen, am Lehrgang Progresso von Hotel & Gastro formation teilzunehmen. Zielgruppe der fünfwöchigen Ausbildung sind ungelernte Quereinsteiger, die sich vom Springer zum qualifizierten Mitarbeiter weiterentwickeln wollen. Progresso gibt es in den Fachbereichen Küche, Service, Hauswirtschaft und Systemgastronomie. Nach der Ausbildung haben die Teilnehmer einen offiziellen, vom L-GAV anerkannten Abschluss. «Für Teilnehmer und Betrieb fallen praktisch keine Kosten an, sofern der Betrieb dem L-GAV zwingend unterstellt ist», sagt Projektleiter Mike Kuhn. Anfang März beginnen die ersten Kurse des Jahres, Plätze sind noch zu haben.
Im Kurs lernen die Teilnehmer, wie sie ihr Handwerk verbessern können. Inhaltlich fusst der Lehrgang auf Elementen der sogenannten Attest-Ausbildung. Dazu gehören allgemeine Themen wie Hygiene, Arbeitssicherheit, Ökologie und Betriebswirtschaftliches, aber auch fachspezifische Schwerpunkte. Für Küchenangestellte wären das zum Beispiel Getränke- oder Lebensmittelkunde, verschiedene Garmethoden oder die wichtigsten Schnitttechniken für Gemüse, Obst und Fleisch. Die 25 Ausbildungstage verteilen sich auf drei Kursblöcke, zwischen denen die Teilnehmer in den Betrieb zurückkehren, um das Erlernte in der Praxis anzuwenden. «Im Job setzen sie dann ihre Hausaufgaben um», sagt Kuhn. Die schriftliche Beurteilung durch den Vorgesetzten fliesse auch in die Abschlussnote ein. Bewertet würden sowohl Zubereitung als auch Präsentation der Speisen. Weil Sprache ein wichtiger Schlüssel zur beruflichen Integration ist, haben Progresso-Teilnehmer mit schwachen Deutschkenntnissen ausserdem die Möglichkeit, während des Lehrgangs einen Sprachkurs zu besuchen. «Sie haben dann jeweils zwei zusätzliche Lektionen pro Tag», so Kuhn. Die Lerninhalte seien speziell auf das Fachvokabular der Bereiche Küche, Service und Hauswirtschaft ausgerichtet und würden von Profis der Sprachschule Academia vermittelt.
Das Ziel von Progresso, sagt Kuhn, sei die Win-Win-Situation: «Der Mitarbeiter verbessert seine Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt und im Betrieb, der Arbeitgeber profitiert von mehr Produktivität und Professionalität, was sich auf Gäste und Kosten auswirkt.» Das sei kein leeres Versprechen, sagt Dominik Schäfer, Gastgeber im Berghotel-Restaurant Sartons auf der Lenzerheide: «Ich würde jederzeit wieder einen Mitarbeiter in den Kurs schicken. Das Know-how, das er zurück in den Betrieb bringt, macht seine Abwesenheit während der Kurstage mehr als wett.» Sein Mitarbeiter, angestellt als Küchenhilfe, habe nach dem Kurs deutlich besser Bescheid gewusst über Lebensmittel und den Umgang damit. «Beim Kochen war ich baff, was er nach dieser kurzen Zeit hinkriegte.» Schliesslich, so Schäfer, habe er den Mitarbeiter zum Hilfskoch befördert: «Für kleinere Betriebe, die es finanziell nicht verkraften, mehrere gelernte Köche zu verpflichten, ist eine solche Lösung Gold wert.» Des Lobes voll ist auch Martin Heyne, Leiter Hotel und Gastronomie bei der Diakonie Bethanien in Zürich, die neben Einrichtungen für Betagte und Kinder auch zwei Restaurants und das Hotel Placid führt: «Bei unserem Teilnehmer entpuppte sich Progresso als Erfolgsgeschichte.» Die Rede ist von einem jungen Ecuadorianer, der in seinem Heimatland einen Betrieb geführt, aber auf dem Schweizer Arbeitsmarkt keine Anerkennung dafür bekommen hatte. «Auf der Suche nach einer Lösung wurden wir auf Progresso aufmerksam», so Heyne. «Das Programm hat sich gelohnt. Nach dem Kurs hat unser Hilfskoch sogar das Eidgenössische Berufsattest angehängt, das er dank Progresso in einem statt zwei Jahren abschliessen konnte. Nun will er für das Fähigkeitszeugnis zum Koch ein weiteres Jahr die Schulbank drücken.»
Beim ZFV hat Progresso einen fixen Platz im Weiterbildungsangebot. Das Branchenschwergewicht in der Gemeinschaftsverpflegung hat dafür in Zusammenarbeit mit der Hotel & Gastro formation eigens den Kurs Progresso by ZFV lanciert, die ersten Absolventen haben Ende 2017 ihre Diplome entgegengenommen. «Ziel dieses Programms ist es, Potenzialträger in unseren Betrieben zu entdecken, zu fördern und weiterzuentwickeln, damit sie auf zusätzliche Aufgaben vorbereitet sind», sagt Luca Amato, Leiter HR-Campus beim ZFV. «Als wachsendes Unternehmen ist der ZFV auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen.»