«Es braucht mehr Standplätze, ganz klar.»
Lassen Sie uns zu Beginn eine entscheidende Frage klären: Was ist ein Foodtruck?
Andreas Seiler: Tatsächlich existiert keine offizielle Definition, so wie es auch für Streetfood keine gibt. Als Verband haben wir das Ganze aber wie folgt formuliert: Ein Foodtruck ist ein Fahrzeug oder ein Anhänger mit einer Küche oder einem Tresen zur Food- oder Getränkeausgabe, der an wechselnden Standorten durch wenige, aber hochwertige Gerichte zu überzeugen vermag. Seine Räder lassen sich nicht abmontieren. Für uns als Verband ist es wichtig, eine klare Umschreibung zu haben – gerade im Hinblick auf die Aufnahme von neuen Mitgliedern.
Welche weiteren Vorgaben gibt es?
Wir halten uns an einen Kodex, der nicht nur festlegt, wie wir uns untereinander als Mitbewerberinnen und Mitbewerber verhalten, sondern auch gegenüber der Kundschaft. Weil wir das Verbandslogo auch als Qualitätssiegel verstehen, das unsere Mitglieder in ihrer eigenen Kommunikation nutzen dürfen, sind verbindliche Standards zentral.
Ein Kriterium ist die Qualität des kulinarischen Angebots. Wie messen Sie das?
Bei den meisten Bewerberinnen und Bewerbern kennen wir im Vorstand das Angebot bereits; wir bewerten unter anderen Kriterien wie das Erscheinungsbild, die Hygiene und die Foodqualität. Im Zweifelsfall mit einem Augenschein vor Ort oder einem Testessen. Bislang hatten wir in dieser Hinsicht jedoch noch nie ein Problem. Im Gegenteil: Wenn sich eine Unternehmerin oder ein Unternehmer um die Verbandszugehörigkeit bemüht, zeugt das von einer gewissen Ernsthaftigkeit. Dann stimmt in der Regel auch die Qualität des Essens.
Warum braucht die Foodtruck-Szene in der Schweiz überhaupt einen eigenen Verband?
Weil die mobile Gastronomie andere Ansprüche als die stationäre hat, ist auch eine eigene Verbandsstruktur wichtig. Zusammenfassend kann man sagen, dass sich viele Foodtruck-Betreibende von den bestehenden Verbänden nicht ausreichend vertreten fühlten.
Welches Anliegen ist für die Branche aktuell denn besonders dringend?
Es braucht mehr Standplätze, ganz klar. In der Schweiz sind zurzeit schätzungsweise zwischen 600 und 700 Foodtruck-Unternehmen aktiv, und im Vergleich dazu existieren sehr wenig offizielle Standplätze auf öffentlichem Grund, die sie anfahren dürfen. In Basel zum Beispiel gibt es ein städtisches Projekt, was an und für sich toll ist – aber die bewilligten Standorte werfen nicht genug Umsatz ab. Nächstes Jahr ist in Biel ein spannendes Projekt geplant. Grundsätzlich ist die Westschweiz etwas liberaler, was Standplätze im öffentlichen Raum angeht. In Luzern scheiterte kürzlich ein Foodtruck-Projekt, in Zürich gab es diesen Sommer beim Platzspitz erstmals etwas Offizielles – allerdings lediglich zeitlich begrenzt und in meinen Augen mit zu vielen Trucks aufs Mal. Es ist etwas schade, dass wir hier im Vorfeld nicht um Rat gefragt worden waren. Und sonst? An privaten Standorten passiert deutlich mehr: Unternehmen, Schulen und Institutionen holen sich über Mittag ein Verpflegungsangebot aufs Gelände.
Besonders prominent tritt die mobile Gastronomie an Streetfood-Festivals in Erscheinung. Welchen Stellenwert haben solche Events für die Branche?
Es gibt drei Hauptdisziplinen, mit denen sich am meisten Geld verdienen lässt: das Tagesgeschäft, über das wir jetzt hauptsächlich geredet haben, dann eben öffentliche Events wie Streetfood-Festivals und schliesslich private Caterings, quasi die Königsdisziplin. Manche Betriebe sind nur im einen oder anderen Feld tätig, die meisten setzen aber auf einen Mix. Diese Diversifizierung ergibt Sinn, das zeigte auch die Pandemie: Events und Caterings brachen schnell weg, während das Tagesgeschäft weiterlief. Wobei das von aussen erfolgreicher aussah, als es für viele tatsächlich war: Foodtrucks durften als Take-away-Geschäfte zwar öffnen, ihr Angebot ist allerdings auf die Verpflegung der auswärts arbeitenden Bevölkerung ausgerichtet – und diese blieb ja mehrheitlich daheim.
Apropos Pandemie: Sie führte dazu, dass sich viele Menschen von ihrer Arbeit im Gastgewerbe abwendeten. Gilt das auch fürs Foodtruck-Business?
Jein. Vom Personal her erleben wir das ähnlich wie die stationäre Gastronomie: Es ist wahnsinnig schwierig, qualifiziertes Personal zu finden. Gleichzeitig beobachten wir eine Häufung von Neueinsteigerinnen und Neueinsteigern in die mobile Gastronomie. Diese Tendenz zeichnete sich vorher schon ab, die Pandemie war aber ein Multiplikator. Die Leute hatten Zeit, darüber nachzudenken, was sie in ihrem Leben tun wollen, und der Wunsch, sich selbstständig zu machen, wurde noch grösser als vorher. Zumindest erlebte ich das in meinen Beratungen so: Die Zahl der Anfragen schnellte in die Höhe.