«Was nach einer romantischen Gegebenheit aus dem urchig-idyllischen «Heidiland» klingt, musste sich das Ehepaar Mair hart erarbeiten.»
«Che Chaschöl!» So heisst die Dorfkäserei in Tschlin, einem kleinen Bündner Dorf oberhalb von Scuol. Übersetzt bedeutet der Name so viel wie «So ein Käse!». Und der Name ist Programm: Die beiden Käser Chatrina und Peter Mair-Denoth verarbeiten Büffel-, Ziegen- und Schafmilch zu zahlreichen hochwertigen und in der Gastronomie beliebten Käsesorten.
Einfach nur Knöpfe drücken – das ist nicht ihr Ding. Viel lieber stellen Chatrina und Peter Mair ihren Käse von Hand her, so wie dies Generationen von Käsern vor ihnen taten. In einer Welt, die sich immer schneller dreht, die automatisiert und digitalisiert ist, haben sie einen Gegentrend gesetzt und damit zur stärkeren Verbundenheit mit dem Nahrungsmittel zurückgefunden. Früh am Morgen bringen die Bauern ihre Schaf- und Ziegenmilch persönlich in die Käserei. Sie wägen sie ab und helfen Chatrina Mair, die Milch direkt ins Käsekessi zu schütten. Für einen kurzen Schwatz bleibt allemal Zeit, bevor die Käserin ans Werk geht. Aber der Reihe nach. Denn was nach einer romantischen Gegebenheit aus dem urchig-idyllischen «Heidiland», gar nach Heimatmuseum klingt, musste sich das Ehepaar Mair hart erarbeiten. In der Schweiz ist der Käsemarkt schliesslich ein knallhartes Business, wie jedes andere auch.
Peter Mair lernte als junger Mann das Käsen von der Pike auf und arbeitet seit nunmehr 30 Jahren als Angestellter in grossen Käsereien. Seine Frau und er gründeten sehr jung eine Familie, es galt, diese zu ernähren und Ausbildungen für die zwei Kinder zu bezahlen. Den Traum, sich einmal selbstständig zu machen, träumte Peter Mair aber seit jeher. Seinen Beruf liebt er zwar, in der grossen Käserei die Maschinen zu bedienen und tagtäglich dieselben Käsesorten aus Kuhmilch zu produzieren, erfüllt den lebhaften Mann aber nicht, wie er sagt: «Meine Arbeit in der Grossproduktion stimmt einfach nicht mit meinen Auffassungen überein, wie ein guter Käse hergestellt werden müsste.» Dass er heute Inhaber einer Käserei ist, in der aussergewöhnliche Käsesorten tatsächlich so produziert werden, wie er sich das vorstellt, dafür ist aber seine Frau verantwortlich.
Die Kinder waren mittlerweile selbständig und die Mutter, eine gelernte Sportartikelverkäuferin, dazu bereit, beruflich noch einmal so richtig durchzustarten. So liess sie sich von ihrem Mann in der Kunst des Käsens schulen. Der Zufall wollte es, dass zur selben Zeit die alte Käserei mitten in ihrem Heimatdorf Tschlin frei wurde, nachdem sie 23 Jahre lang als Tante-Emma-Laden betrieben worden war. «Wir erkannten unsere Chance und beschlossen, der alten Dorfkäserei wieder Leben einzuhauchen», erzählt Peter Mair. Zudem sah er Synergien mit einem Bauern im Dorf, der Ziegen hielt, aber nicht wusste, was er mit der Milch anfangen sollte. «Es war schon immer mein Traum, Käse aus Ziegen- oder Schafmilch herzustellen. Kuhmilchkäse empfinde ich als langweilig, davon gibt es in der Schweiz genug.» Auch Chatrina Mair hatte an der Idee Feuer gefangen. Bis zur Eröffnung mussten die beiden allerdings noch einige Hürden bewältigen.
Bisweilen waren die finanziellen Angelegenheiten nicht gelöst. In der alten Käserei waren zwar alle Installationen, die Abläufe und Fliesen an der Wand noch vorhanden – trotzdem mussten einige Investitionen getätigt werden, die Banken jedoch wollten keine Kredite gewähren. «Es gibt dir niemand Geld, wenn du am Rand einer Randregion eine Spezialitätenkäserei eröffnen willst», so der Käser. Die 20 Bettelbriefe an diverse Institutionen brachten nur gerade 10 000 Franken ein. Das Projekt drohte zu scheitern, doch dann kam ein alter Bauer als Retter daher.
Er erzählte den beiden, dass die Käsereigenossenschaft, die vor 23 Jahren aufgegeben worden war, ihre Räumlichkeiten an die Gemeinde verkauft hatte. Der Erlös von 80 000 Franken stehe denjenigen zu, die eine neue Käserei betreiben wollen. Peter und Chatrina Mair durften demnach das Geld als Startkapital nutzen.