19.03.2019 Salz & Pfeffer 2/2019

Von Schwarz bis Weiss

Text und Fotos: Şeyma Baş*
Wie beim Wein entscheiden Boden, Klima und Co. auch beim Tee darüber, wie sich der Geschmack entwickelt. Zwei Beispiele im Vergleich.
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In der Welt des Weins ist der Begriff Terroir weitverbreitet, allerdings wird er unterschiedlich definiert. So verstehen die einen unter Terroir ökologische Einflüsse wie Bodenbeschaffung, Hitze oder Wind, denen die Rebe ausgesetzt ist. Andere – und da zähle ich mich dazu – glauben, dass zum Begriff Terroir auch der Faktor Mensch dazugezählt werden muss.

Gerade beim Wein spielen Traditionen eine wichtige Rolle, etwa die Art, wie die Reben gepflegt werden, oder welches Eichenholz für die Fässer verwendet wird. Angeblich schafft die Kombination dieser Variablen die einzigartige Charakteristik eines jeden Weins. Doch wie sieht das eigentlich bei anderen Landwirtschaftsprodukten aus? Wir relevant ist das Terroir zum Beispiel beim Tee?

Sivanathan Sellaiah, Betriebsleiter der Teemanufaktur Halpewatte in der sri-lankischen Stadt Ella, erklärt es so: «Unsere Plantagen liegen etwa 1700 Meter über dem Meer, diese Höhe ist ein wichtiger Faktor für die Entwicklung reichhaltiger Aromen in hoher Konzentration.» Laut Sellaiah gilt das für den gesamten im Hochland liegenden Bezirk Uva, der den Winden des Nordost- und Südwestmonsuns ausgesetzt ist, die seinem Tee einen einzigartigen Charakter verleihen.

Was die Bodenart angeht, ist die Teepflanze indes nicht sehr wählerisch. Sie benötigt lediglich einen pH-Wert zwischen 4,5 und 5,5 sowie genügend Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Kalium. Dafür ist die für eine Teeplantage benötigte Niederschlagsmenge recht hoch. «Wir haben etwa 1500 bis 2000 Millimeter pro Jahr», sagt Sellaiah, «in Kombination mit Sonnenschein schafft das perfekte Bedingungen für die Pflanze.»

200 Kilometer südwestlich von der Teemanufaktur Halpewatte, an der Südküste in Ahangama, sind die Bedingungen etwas anders. «Die Herman Teas ist die Teeplantage, die weltweit wahrscheinlich am nächsten am Meer liegt», sagt Besitzer Herman Gunaratne.

«Dank dem sanften Wind entwickelt die Pflanze in diesem tropischen Teil der Insel sanfte und reichhaltige Aromen.» Das Terroir der beiden Subregionen in Sri Lanka ist so unterschiedlich wie der Tee, der darauf entsteht. Während Sellaiah im Hochland Schwarztee gewinnt, produziert Gunaratne unten an der Küste einen der teuersten Weisstees der Welt.

Beim Welken entzieht man den Teeblättern einen Grossteil ihres Wassergehalts.
Beim Welken entzieht man den Teeblättern einen Grossteil ihres Wassergehalts.
Spezielle Masken und Handschuhe schützen den weissen Tee auf der Plantage von Herman Teas vor der Kontamination mit menschlichem Schweiss.
Spezielle Masken und Handschuhe schützen den weissen Tee auf der Plantage von Herman Teas vor der Kontamination mit menschlichem Schweiss.
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Die Höhenlage der Teeplantage Halpewatte auf 1700 Meter über Meer ist ein wichtiger Faktor für die Entwicklung reichhaltiger Aromen in hoher Konzentration.
Die Höhenlage der Teeplantage Halpewatte auf 1700 Meter über Meer ist ein wichtiger Faktor für die Entwicklung reichhaltiger Aromen in hoher Konzentration.
Spezielle Masken und Handschuhe schützen den weissen Tee auf der Plantage von Herman Teas vor der Kontamination mit menschlichem Schweiss.
Spezielle Masken und Handschuhe schützen den weissen Tee auf der Plantage von Herman Teas vor der Kontamination mit menschlichem Schweiss.

Die Produktion von Tee gliedert sich, grob betrachtet, in vier Phasen – nämlich pflücken, welken, fermentieren und trocknen. Allerdings trifft die Bezeichnung Fermentation in diesem Zusammenhang nicht wirklich zu, da es sich eigentlich um eine Oxidation handelt. «Wir konzentrieren uns darauf, schwarzen Tee herzustellen», sagt Sellaiah von der Teemanufaktur Halpewatte. Zuerst werden die obersten und zarten zwei Blätter der Pflanze gepflückt und getrocknet. «Diesen Blättern entziehen wir dann 67 bis 70 Prozent ihres Wassergehaltes.» Diesen Arbeitsschritt bezeichnet man als Welken.

Danach rollt man die Blätter sanft, bis sie dünn und drahtig sind. Dabei werden Enzyme freigesetzt, die bei der Oxidation eine wichtige Rolle spielen. «Die Oxidation ist letztlich eine Reihe von chemischen Reaktionen, die zur Bräunung der Teeblätter und zur Entstehung von Geschmacks- und Aromaverbindungen in den fertigen Tees führen», erklärt Sellaiah weiter. Dabei handelt es sich um eine enzymatische Reaktion, nicht um eine mikrobielle wie bei der Fermentation.

Bei der Produktion von weissem Tee hingegen zielt man darauf ab, nur die feinsten Aromen der Pflanze herauszukitzeln. «Wir schneiden nur die erste Knospe sowie das obere Blatt aus dem Strauch der neuen Saison», so Gunaratne. Dafür tragen seine Arbeiter spezielle Masken und Handschuhe, damit nicht ein Tropfen menschlichen Schweisses die Aromatik des Tees verfälschen kann. Anschliessend welkt und trocknet man den Tee direkt. Die Oxidation entfällt komplett, weshalb weisser Tee eine sehr helle Farbe sowie einen leichten, zarten Geschmack aufweist.

Für mich ist es immer wieder faszinierend, einen Ort mit bestimmten Geschmacksrichtungen zu verbinden. Tee ist nach meiner Reise nicht mehr nur ein Strauch, sondern trägt die Handschrift der Menschen dahinter und ihrer kulturellen Gewohnheiten. Dieses neu gesammelte Wissen beeinflusst die Sinneswahrnehmung wesentlich. Tee aus Sri Lanka schmeckt jetzt anders.

* Die Autorin dieses Gastbeitrags unterhält den preisgekrönten Weinblog www.dionysianimpulse.net und reiste aus eigenem Antrieb nach Sri Lanka, um sich dort auf die Spuren des Tees zu begeben.

Wie der Tee nach Ceylon kam
In den Siebzigerjahren des 19. Jahrhunderts zerstörte die als Kaffeerost bekannte Pilzkrankheit die Kaffeeplantagen auf Ceylon, dem späteren Sri Lanka. Dafür legte der schottische Unternehmer James Taylor 1867 den Grundstein für die sri-lankische Teeindustrie, indem er in der Stadt Kandy eine Plantage sowie eine voll ausgestattete Fabrik gründete. In den letzten 150 Jahren wuchs die kommerzielle Produktion beständig: Tee wurde zur wichtigsten Nutzpflanze des Inselstaats im indischen Ozean.

Wie man Tee degustiert
Die fünf «S» des Weindegustierens – nämlich see (anschauen), swirl (schwenken), sniff (riechen), sip (nippen) und savor (geniessen) – funktionieren beim Degustieren von Tee genauso gut. Im Gegensatz zum Wein- muss der Teeverkoster in einem ersten Schritt allerdings den trockenen Tee inspizieren. Begutachtet werden Form, Farbe und Textur der Blätter, die Hinweise auf ihre Feuchtigkeit und ihren Geschmack geben. Ausserdem gehts darum, herauszufinden, ob es sich um eine Mischung handelt oder nicht. Im Laufe der Degustation werden Geschmack, Profil, Körper, Länge und die Adstringenz des Tees bewertet. Abgesehen von wenigen Unterschieden haben Tee-, Kaffee- und Weinverkoster eine gemeinsame Basis, die bei der sensorischen Analyse berücksichtigt werden muss. Wie beim Wein bestimmen die Ergebnisse dieser Verkostungen die Qualität und den Preis des Tees.