«Wer bei Verstand ist, fliegt nicht freiwillig nach New York.»
Am Montag ist der Flugverkehr das Schlimmste, am Dienstag sind es die Kreuzfahrtschiffe, am Mittwoch ist es der Diesel und aktuell von Donnerstag bis Sonntag sind es die Fleischfresser sowie Butterstreicher. Und das wissen wir dank einer Studie der Ernährungs-und Agrarorganisation der Uno, der FAO. Die fand heraus, dass die Nutztierproduktion mehr klimarelevante Treibhausgase ausstosse als der gesamte Verkehr. Verkürzt: Kühe sind schlimmer als Auspuffe. Die Studie, muss man wissen, stammt von 2006, als es noch keine Smartphones gab. Medien und Vegiblogger griffen die Schlagzeile auf und schmückten sie mit Ausrufezeichen, spätere wissenschaftliche Publikationen nahmen Bezug auf die Studie. So wurden die Zahlen freudig kolportiert. Vier Jahre. Bis ein Professor erklärte, die Studie sei falsch.
Frank Mitloehner erforscht und lehrt an der University of California in Davis Tierzucht und Luftreinhaltung. Sein Ziel ist es, weniger klimaschädliche Formen der Tierhaltung zu entwickeln. Mitloehner verglich die Viehstudie mit der Verkehrsstudie, auf welche sie Bezug nahm. Dabei fiel ihm auf, dass die Verkehrsforscher nur die direkten Emissionen aller Schwimm-, Fahr-und Flugzeuge berechnet hatten, die Viehforscher jedoch auch die indirekten Emissionen. Beim Verkehr fehlten also beispielsweise die Herstellung und der Transport von Autos, Zügen und Schiffen, die Gewinnung der Rohstoffe, der Bau und der Unterhalt von Strassen, Brücken, Flughäfen und so weiter, während die Viehforscher nebst den Kuhfürzen auch die Düngemittelproduktion berechneten, die Rodung von Regenwäldern für Weiden sowie den Anbau von Sojakraftfutter, den Transport der Rinderzungen aus Brasilien und möglicherweise auch noch die Emissionen der mit Metzgerschürzen beladenen Flieger aus Bangladesch. Kurz und schlecht: Die Studien waren nicht vergleichbar.
Die FAO gestand ihren Fehler zerknirscht ein. «Mitloehner hat recht», sagte Pierre Graber von der Organisation zur BBC. «Wir haben bei den Emissionen des Fleischs alles berücksichtigt, bei den Emissionen des Verkehrs aber nicht.» Im Herbst 2018 rückte auch der Autor des Berichts, Henning Steinfeld, die Quintessenz seiner Studie zurecht.
Für eine Erkenntnis ist es ja bekanntlich nie zu spät, für den Rückzug einer Schlagzeile allerdings immer. Nach Jahren der Verbreitung kriegt man sie mit keiner Rückrufaktion aus dem Internet, den Köpfen und den Überzeugungen. Eine weitere Studie ergab später übrigens neue Anteile der Direktemissionen am Gesamtausstoss: Verkehr 14 Prozent, Vieh fünf Prozent. Natürlich generierte die neue Studie etwa so viele Schlagzeilen, wie es die kleinlauten Richtigstellungen von Boulevardblättern auf Seite 19 unten rechts tun, nämlich keine.
Man lasse sich aber nicht täuschen: Zusammengezählt kommen direkte und indirekte Emissionen der Viehzucht laut der neusten FAO-Bewertung auf einen Anteil von 14,5 Prozent an den weltweiten Emissionen (für den Verkehr gibt es keine vergleichbare Ökobilanz). 14,5 Prozent sind nicht nichts. Gleichwohl würden die positiven Auswirkungen einer veganen Ernährung auf das Klima überschätzt, sagt Frank Mitloehner. «Die wichtigsten CO2-Quellen sind Öl, Kohle und Gas. Wenn Sie wirklich etwas bewegen wollen, wählen Sie eine Partei, die dieses Thema ernst nimmt.» Dem klugen deutschen Magazin Krautreporter rechnete Mitloehner vor, dass man die Emissionen, die man beim Umstieg auf vegane Ernährung während vier Jahren einspart, mit einem einzigen Flug von Frankfurt nach New York und zurück wieder ausstösst.
Mr. Tabasco wurde auf 1000 Metern über Meer gross. Dort wächst Gras. Geniessbar wird Gras in Form von Fleisch und Milch. Die Umwandlung nehmen verdankenswerterweise Rinder und Kühe vor. Ganz natürlich. Wenn nun Klimaaktivisten aufgrund einer falschen FAO-Studie eine Fleischsteuer fordern, ist Mr. Tabasco absolut ihrer Meinung. Herbeigeschifftes Billigfleisch und Sojakraftfutter sowie Fleisch aus konventioneller Tierhaltung soll man besteuern. Aber nicht Biofleisch von Tieren aus Freilandhaltung.
Nicht dass das den Klimawandel bemerkenswert verbessern würde. Aber es wäre eine Annäherung an die Kostenwahrheit und damit eine ehrliche freie Marktwirtschaft. Und es wäre eine kleine Kundgebung von Wertschätzung gegenüber Tier und Natur. Früher war Fleisch ein wertvoller Eiweisslieferant. Heute ist es das billige Konsumgut einer Wegwerfgesellschaft. 92 Kilogramm Fleisch pro Person und Jahr in den Industrieländern sind im historischen Vergleich der reine Irrsinn. Etwas Bescheidenheit und Dankbarkeit käme den Tieren zugute, dem Klima und der Seele. Das gilt auch für die Mobilität. Wer halbwegs bei Verstand ist, fliegt nicht freiwillig nach New York in Donald Trumps Heimatstadt.