Malta hat von allem etwas zu bieten.
Ob den Maltesern und Malteserinnen peinlich ist, was im Zentrum von Valletta aufgebaut wurde, ist nur mühsam in Erfahrung zu bringen, denn von selbst redet niemand über das Sammelsurium aus Fotos, Hinweiszetteln und Blumen. Gleich gegenüber dem Justizpalast, ein paar Meter vom prächtigen historischen Anwesen des Grossmeisters entfernt. Alle ausgehängten Bilder zeigen eine gutaussehende Frau, die freundlich und leicht melancholisch in die Kamera schaut. Dass Daphne Caruana Galizia tot ist, wird schnell deutlich; dass die investigative Journalistin ermordet wurde, erfährt man nach Lektüre der Notizen. Nicht zuletzt dieses Verbrechens wegen hält sich der Ruf, Malta sei ein Mafia-Nest.
Doch Malta ist auch ein Land, das sich entwickelt. Politisch – denn es wurden Schritte gegangen, das Geflecht aus Korruption und Interessen zu entflechten, erst recht in kulinarischer Hinsicht. Manches ist der EU zu verdanken, die Geld lockermachte, vieles dem Guide Michelin, der die Restaurants des Inselstaates inzwischen zum dritten Mal mit allerlei Erwähnungen und Bibs und noch höheren Auszeichnungen dekoriert hat. Mag man anderswo in Europa skeptisch über die Bedeutung von Restaurantführern reden, ist die Sache auf Malta klar. Vor allem dank des Guide Michelin erfuhr die Welt, dass im Inselstaat nicht nur rustikal aufgekocht wird.
Zu den aktuell fünf besternten Restaurants gehört das De Mondion, zu den bekanntesten Köchen Kevin Bonello. Luxuriöser als hier, hoch oben im Xara Palace Hotel in Mdina, kann man im Lande nicht speisen; die Terrasse ist geschützt vor dem Regen, der meist im April aufhört und erst wieder im Herbst einsetzt, der Blick geht bis hin zum Meer in der Ferne, über hässliche Industriegebiete und idyllische Felder gleichermassen. Malta hat von allem etwas zu bieten.
Doch heute ist Ruhetag im De Mondion, weshalb Bonello dem angereisten Journalisten eine private Kochvorführung bietet. «Nachhaltigkeit ist wichtig», sagt Bonello, der sich in Paris, Chicago und London weitergebildet hat und genau weiss, was im Trend liegt. Auf dem Dach des zur Xara-Gruppe zählenden Eventgebäudes wurden Fischtanks installiert, Abfall wird kompostiert, die bereits beachtlich grossen Gemüsefelder auf der anderen Strassenseite sollen ausgeweitet werden. Etliche Reihen mit Randen und Rüben, Zwiebeln und Brokkoli, ein eigener Gärtner. Chef Bonello sucht sich den schönsten Kohlrabi aus, nimmt Salatblätter mit, hat die vor der Küste gefangenen Garnelen schon dabei. Roh, fein gehackt, als Tatar, mit dem selbst gepressten Olivenöl abgeschmeckt. Nein, für die Gesamtversorgung des Unternehmens reiche das Gemüse, das hier entstehe, dann doch nicht aus, aber die Hälfte solle dereinst mal abgedeckt sein. Nachhaltigkeit als Vision, Storytelling, Aufbruchsstimmung.
Von den Corona-Einbussen der letzten beiden Jahre hat sich auf Malta niemand irritieren lassen. Stattdessen überlegten die Gastronominnen und Gastronomen, was denn die Essenz der hiesigen Küche sein könnte. Der maltesische Kulinarik-USP. Gar nicht so einfach, denn wenn man nach den typischen Speisen des aus drei bewohnten Inseln zusammengesetzten Kleinstaates fahndet, bleibt Überschaubares. Das frittierte Kaninchen, das in jeder zweiten Beiz auf dem Menü steht und mithilfe der Finger vom Knochen geknabbert wird. Ein paar Süssigkeiten, wie sie das legendäre Caffe Cordina in Valletta anbietet. Und die Pastizzi – jene mit Ricotta oder Erbsen gefüllten Teigtaschen, die für 50 bis 70 Cent als Grundnahrungsmittel in den Bars verkauft werden. Beim maltesischen Wein ist die Luft ähnlich dünn: Entweder sind sie grotesk überteuert, wie beim winzigen Boutiqueweingut Markus Divinus, oder ein bisschen mainstreamig wie bei Meridiana, einem von der italienischen Kellerei Antinori betriebenen Projekt, bei dem täglich Touristenbusse zwecks Verkostung halten.