«Wäre ich ein Junge gewesen, hätte ich Käser werden wollen.»
Im Schäfli gibt es, was es gibt: Was reizt Sie am täglich wechselnden Überraschungsmenü?
Tanja Büsser: Bei mir kommt zuerst das Lebensmittel, dann das Menü. Meine Lieferanten und Produzenten sagen mir, was sie haben – und ich entscheide aufgrund dessen, was ich koche. Ich könnte es für mich nicht mehr verantworten, anders zu verfahren, also die Gerichte zu bestimmen und dann einzukaufen. Mit meinem Konzept kann ich aufbrauchen, was da ist – den Fisch, der morgens ins Netz ging, den Salat, der gerade geerntet wurde. Sich danach zu richten, ist spannend.
Eine Ausnahme gibt es.
Die hausgemachten Pommes frites am Sonntagmittag? Ja. Viele Gäste wollen in der Beiz Pommes essen, weil sie diese zu Hause nicht zubereiten. Erst passte das nicht in mein Konzept, weil ich kein Öl zum Frittieren hatte. Erdnussöl stammt nun mal nicht aus der Schweiz, und synthetisches Öl wollte ich nicht verwenden. Seit ich nun allerdings ganze Tiere kaufe, um sie zu verarbeiten, steht mir auch deren Fett zur Verfügung. Also gibts sonntags Pommes – aus Kartoffeln von Kurt Brunner, der für mich schlicht die besten macht.
Sie pflegen einen sehr engen Bezug zu Ihren Produzenten.
Auf jeden Fall. Ich weiss, woher meine Zutaten kommen. Nehmen wir die Gerichte für diesen Artikel: Für die Hühnercrèmesuppe verarbeitete ich ein Suppenhuhn «mit Bruder» von Kurt Brunner, die Felchenleber auf dem Salat erhielt ich von Turi Wespe, dem Zürichsee-Fischer meines Vertrauens, und das bunte Distelschwein, von dem das Bauernkotelett stammt, wuchs auf Cäsar Bürgis Hof Silberdistel auf. Das Schöne ist: Ich lerne viel von meinen Produzenten, über die Landwirtschaft, ihre Abläufe, Qualität, Pestizide ... Das war nicht immer so. Ich kaufte früher auch im CC ein. Das veränderte sich erst mit der Zeit.
Was gab den Ausschlag?
Ich hatte ein Schlüsselerlebnis mit der Milch. Als ich erfuhr, wie diese in der industriellen Produktion erst zerlegt und dann wieder zusammengesetzt wird, läuteten bei mir die Alarmglocken. Ich schaute genauer hin: Woher kommen meine Lebensmittel, wer stellt sie wie her – und warum? Vor etwa 15 Jahren begann ich, mich schrittweise so zu organisieren, dass ich nicht mehr bei Grosskonzernen einkaufen muss. Das war nicht einfach. Bei den Gewürzen etwa musste ich mich echt einschränken. Mein Öl beziehe ich heute bei verschiedenen Bauern, Essig stelle ich selber her. Meine Formel ist einfach: 95 Prozent dessen, was ich verkoche, stammt aus der Schweiz. Der Rest hat entweder mit Slow Food zu tun oder mit Herstellern, die ich kenne und schätze.
Warum kein engerer Radius?
Weil ich es wertvoll finde, alle Ecken des Landes in meiner Küche zu berücksichtigen, nicht nur bei den Rohprodukten, sondern insbesondere beispielsweise bei Würsten, speziellen Broten, bei regionalem Senf oder Eingemachtem. Und beim Käse natürlich.
Der spielt bei Ihnen eine wichtige Rolle: Teil Ihres Überraschungsmenüs ist immer auch der Gang ins Käsezimmer, in dem der Gast aus 60 bis 70 Sorten wählen kann.
Käse fasziniert mich, das tat er schon immer. Ich liebte es, als Kind in der Käserei die Milch zu holen – und wäre ich ein Junge gewesen, hätte ich Käser werden wollen. Für ein Mädchen kam das aber nicht infrage. Heute noch mache ich bei jeder Käserei Halt, an der ich vorbeikomme. Diese Vielfalt ist grossartig.