«Am stärksten fällt der Wareneinkauf ins Gewicht.»
Mindestens 68 Millionen Tonnen Plastik treiben laut offizieller Schätzung in den Weltmeeren, und jedes Jahr kommen zwischen fünf und zwölf Millionen Tonnen dazu. Während die Europäische Kommission ein Verbot für Einwegplastik plant, bleibt die Schweiz vorerst tatenlos. Das ändert nichts am Handlungsbedarf – auch in der Gastronomie. Am meisten Einwegplastikmüll produziert diese im Take-away-Bereich, doch auch die Profiküche selbst kommt nicht ohne Plastik aus. Was fällt dabei ins Gewicht, und wo gibt es Verbesserungspotenzial?
Die Nachfrage bei verschiedenen Betrieben zeigt, dass Frischhaltefolie zu den beliebtesten Küchenhelfern aus Einwegplastik gehört. Sie schützt Frischwaren vor dem Austrocknen und hält Bakterien von ihnen fern. «Um die Folie kommt man nicht herum», sagt Sara Hochuli, Gastgeberin im Café Miyuko in Zürich, «was nicht bedeutet, dass man ihren Einsatz nicht stets hinterfragen soll: Ist es wirklich nötig?» Plastikfolie braucht die Patissière etwa in der Produktion. Sie wickelt Torten ein, bevor sie in den Schockfroster kommen, damit sie formstabil bleiben. Auch ausgeliefert werden sie in Frischhaltefolie. «So bleibt das Kondenswasser nicht am Fondant hängen», sagt Hochuli. «Manchmal ist Frischhaltefolie ein notwendiges Übel. Trotzdem ist es uns gelungen, den Verbrauch massiv zu reduzieren. Bei der Mise en place etwa arbeiten wir jetzt mit luftdichten Kunststoffbehältern, statt alles mit Folie abzudecken.»
Eine Alternative zur Plastikfolie haben die Vegi-Restaurants Tibits im Einsatz: wiederverwendbare Silikonfolie. «Wir testen nun, wie praxistauglich diese im Hinblick auf die Hygiene ist», sagt Tibits-Mitgründer Reto Frei. Einen weiteren Testlauf plant Tibits mit plastikfreier Frischhaltefolie aus Zellulose. «Das ist zwar kein Mehrwegprodukt, aber aus natürlichem, schnell abbaubarem Material», so Frei. Ein weiterer Topseller aus Einmalplastik sind Vakuumbeutel. Zum Einsatz kommen sie etwa beim Sous-vide-Verfahren. Sebastian Funck, Küchenchef der Wirtschaft im Franz in Zürich, ist begeistert von der Garmethode – und stellt sich trotzdem die Frage nach ihrer Berechtigung. «Sie verschlingt Unmengen von Plastik», sagt er, «wir fragen uns, wie weit wir damit noch gehen wollen.» Nicht alle Profiküchen arbeiten mit Sous-vide-Verfahren, aber ein Vakuumiergerät hat jede. Luftdicht verschlossen im Plastikbeutel sind Lebensmittel um ein Vielfaches länger haltbar und lassen sich platzsparend lagern. Hier böte der Markt eine umweltfreundlichere Alternative: die sogenannte Green-Vac-Methode, ein Mehrweg-Vakuumiersystem, das ohne Beutel auskommt. Lebensmittel werden dabei direkt im GN-Behälter aus Chromstahl vakuumiert und gelagert.
Was halten Köche davon? «Die Idee ist gut, scheitert in meiner Küche aber am Platz», sagt Frank Widmer, Executive Chef im Zürcher Fünf-Sterne-Hotel Park Hyatt. «Plastikbeutel kann ich stapeln, Chromstahlbehälter sind sperrig.» Ähnlich argumentiert Marius Frehner, Küchenchef und Inhaber vom Restaurant Gamper in Zürich: «Wir arbeiten auf kleinem Raum, die Platzfrage stellt sich immer.» Mit Vakuumbeuteln versucht Frehner sparsam umzugehen, «sie nur dann einzusetzen, wenn es wirklich nötig ist». Hier sieht auch Funck grosses Sparpotenzial: «Man muss nicht jeden Krümel vakuumieren. Für vieles tuts auch ein Mehrwegbehälter aus Kunststoff.» Patissière Hochuli empfiehlt derweil Einmachgläser: «Die scheinen mir auch im Hinblick auf Geschmacksneutralität die beste Lösung zu sein.»
Frischhaltefolie, Vakuumbeutel und Co. produzieren zwar viel Plastikmüll, am stärksten fällt jedoch der Wareneinkauf ins Gewicht, weiss Bettina Kahlert. Sie ist Teamleiterin Effizienzberatung bei der Stiftung Myclimate und berät Gastronomen in Nachhaltigkeitsfragen. «Wie viel Plastik beim Einkauf anfällt, hängt vom Conveniencegrad der Küche und der Wahl der Lieferanten ab», sagt Kahlert. «Fertigprodukte sorgen für mehr Plastikabfall als Frischwaren, und wer bei regionalen Produzenten statt Importeuren einkauft, hat auch weniger Kunststoffverpackungen im Warenkorb.» Entscheidend sei aber auch, dass Betriebe das Gespräch mit Lieferanten suchten und sich erkundigten, ob grössere Gebinde, dünnere Folien oder plastikfreie Alternativen verfügbar seien. «Das kostet Gastronomen Zeit», räumt Kahlert ein, «aber es ist der grösste Hebel, den sie im Hinblick auf die Plastikproblematik haben.»