«Winzerin ist schliesslich ein Beruf, den man handwerklich bewerkstelligen kann, anders als im Strassenbau.»
Allein der Name. Rebentrost. Da muss man ja Winzerin werden, von Geburt aus oder spätestens, nachdem man die ersten paar Male gehänselt worden ist. Doch Ines Rebentrost wehrt ab. Ganz so sei es nicht gewesen, sagt die Kellermeisterin des Thurgauer Schlossguts Bachtobel. Allerdings habe sie schon die eine oder andere lustige Begebenheit erfahren. «Als ich 1996 in Wädenswil anrief, um mich zu erkundigen, was es bräuchte, um dort Önologie studieren zu dürfen, legte die Dame einfach auf, weil sie sich veräppelt fühlte, als ich meinen Namen nannte.»
Ob ein Herr Rebentrost ähnlich behandelt worden wäre? Vielleicht hätte die Telefonistin einen Moment länger gebraucht, um den Hörer auf die Gabel zu knallen. Winzer dominieren schliesslich noch die Weinbauverbände, und es existieren sogar Kellermeister, die nach dem dritten Schoppen ganz vertraulich andeuten, dass den weiblichen Kollegen zu viel Aufmerksamkeit gewidmet werde. Den Quereingestiegenen zum Beispiel, denen vom Schlage Rebentrost. In Bayern aufgewachsen, fernab der Reben, kam sie zum ersten Mal in der Türkei mit dem Weinbau in Berührung, half der Familie eines türkischen Freundes bei der Traubenernte. Der erste eigene Versuch, in 20-Liter-Tonkrügen, die Wände mit Honig ausgeschmiert, war trinkbar, aber nach Önologenmassstäben gruselig. Später kam ein Buch für Hobbywinzer hinzu, der Samen war gelegt, brauchte aber noch ein paar Jahre, um aufzuspringen. Erst mit 26 oder 27 fiel die Entscheidung. Das wars! «Weinbau und Weinbereitung klang gut. Körperlich arbeiten und den Kopf gebrauchen. Natur und Naturwissenschaft.»
Fand so ähnlich wohl auch Laura Paccot aus der Waadt. Sie studierte allerdings erst an der Ecole hôtelière de Lausanne, begann dann die Ausbildung zur Önologin, trat Praktika an und wird im kommenden Sommer abschliessen. «Ich habe das Glück, mich mit meinen Eltern Violaine und Raymond sehr gut zu verstehen», sagt die Nachwuchswinzerin. «Der Übergang vollzieht sich sanft, sie übertragen mir ihre Erfahrung, und ich bringe den Leichtsinn mit, neue Projekte anzugehen.» Die Tochter, die das Weingut der Eltern übernimmt, allmählich und konsequent: ohne Frage ein Zukunftsmodell, das umso besser gelingt, je aufgeschlossener, neugieriger, innovativer schon die vorherige Generation war. Die Paccots, bekannt für einige der besten Weine der Schweiz, gehören seit Jahren zur Spitze der nationalen Weinszene, ohne sich mit Ellbogen ins Rampenlicht zu drängen.
Simone Monstein dagegen muss nicht den Ruf von früher retten, sondern darf neu aufbauen. Das Weingut der Tante kannten ja doch nur wenige. Als Monstein gefragt wurde, ob sie Interesse habe, einzusteigen, zu übernehmen, lastete kein zentnerschwerer Ruf auf dem Weinkellerdach. Winzer zu sein, habe einiges gemeinsam mit der Kunst, sagt die freiberufliche Malerin. Das Handwerk, die Möglichkeiten, etwas Kreatives zu unternehmen. Auch wenn man im Winzerberuf nicht ganz so frei sei, gewissen Zwängen unterliege. Beides zu machen, scheint für die Chefin von Hamacht Weine in Teufen kein Problem zu sein, auch wenn es viel zu organisieren gibt. Ausstellungen, die Dozentur für Malerei an der Kunstschule Wetzikon, die Konzeption neuer Werke. Und dann die Abfüllung des letzten Jahrgangs. «Da sitzt man immer wie auf Nadeln», sagt Monstein, welche die Rolle der Frau in ihrem Job als immer problemloser und selbstverständlicher ansieht. «Winzerin ist schliesslich ein Beruf, den man handwerklich bewerkstelligen kann, anders als im Strassenbau.»