«Und mal ehrlich: Wer will noch vier Stunden bei Tisch sitzen?»
Ein Foto des alten Ortes hängt an der Wand. Eine winzige Kirche, ein paar Bauernhäuser. Viel war nicht los in Zug, einem winzigen Teil von Lech am Arlberg, damals, vor ein paar Jahrzehnten. Genauer gesagt: gar nichts. Das wollte der Landwirt und Skilehrer Josef Walch ändern. Im heimischen Bauernhaus begann er eines Tages im Jahr 1959, deftige Vorarlberger Speisen zu servieren. Bald holte er seine Gäste in Lech mit der Kutsche ab, führte das Fondue ein und machte die Beiz fernab vom Schuss zum Touristenziel, bevor der Begriff Tourist überhaupt genutzt wurde. Gattin Burgi Walch kochte so, wie es heute keiner mehr tun würde.
Man habe damals alles selbst gemacht, erinnert sich Joschi Walch, der Sohn und heutige Chef der Roten Wand. Die Pommes frites zum Beispiel, aus frischen Kartoffeln. Sogar die Chips, die nach dem Frittieren in Eierkartons zwischengelagert wurden; jeder trockene Platz stand voll mit den Knabbereien. Bei Joschi Walch muss spätestens damals die Lust aufs Essen durchgeschlagen haben, die man dem stattlichen Herrn ansieht. Lust aufs Backhendl zum Beispiel, dessen Namen man nicht erwähnen kann, ohne dass der Chef zu lächeln beginnt und behauptet, dass es sich um sein Lieblingsgericht handele. Er behauptet es, da muss man ehrlich sein, allerdings noch bei einigen anderen Gerichten. Fast entsteht der Verdacht, dass so ziemlich alle Speisen, deren Rezepte im gerade erschienenen Rote-Wand-Kochbuch stehen, Lieblingsrezepte des Patrons sind. Hauptsache, es ist selbst gekocht!
In den Sechzigern und Siebzigern war aber nicht nur Hausgemachtes, sondern auch Regionalität unverzichtbar. Sie war es auch, als Joschi Walch den kleinen Gasthof zum beachtlich grossen Hotel ausbaute. Das Essen blieb, trotz Saunen und Pools, die Hauptsache, weshalb das Wort Gourmethotel kein Marketinggag ist, sondern gelebter Alltag. Viele Gäste kommen nur der Kulinarik wegen in die Rote Wand, aber auch nach Lech selbst, das sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem echten Gourmetdorf entwickelt hat. Im Burg Vital Resort kann der Gast auf SterneNiveau essen, in der Post, in welcher der niederländische König abzusteigen pflegt, herrschen Ambitionen. Und dann das Aurelio’s oder das auf Natural Alpine Cuisine setzende Klösterle. Von einem Weltgourmetdorf Lech sprach man schon, und da ist was dran. Solche kulinarische Vielfalt auf hohem Niveau, sich selbst befruchtend, ist anderswo undenkbar.