
«Michel aber ist keiner, der sich eine Rolle geschneidert hat.»
Torsten Michel holt den Kaffee. Nicht nur für sich, sondern auch für den Journalisten, der um ein Interview bittet. Wahrscheinlich alles andere als Zufall, denn der Küchenchef der Schwarzwaldstube ist so etwas wie der Gegenentwurf zu den präpotenten Stars der Branche. Alfons Schuhbeck, der Ingwer-Bayer, Tim Raue, das Berliner Gangster-Kid, oder der wuselige Fernseh-Gamer Steffen Henssler fänden vermutlich jemand Helfenden, der Heissgetränke brächte. Michel aber ist keiner, der sich eine Rolle geschneidert hat. Vielleicht liegt es auch daran, dass man das von ihm geleitete Restaurant im Schwarzwald zwar kennt, wenn man sich für Essen interessiert, dass es auf den derzeit angesagten Rankings der weltbesten Outlets aber eher eine nachgeordnete Rolle spielt. Ist ja auch klar: Wie sollten all die mit Scheuklappen ausgestatteten Influencer aus London, Hongkong oder New York den Weg nach Baiersbronn finden?
Seit 2004 ist Michel, der gebürtige Sachse, an Ort und Stelle. Schnell wurde er Souschef und blieb es länger, als Souschefs gemeinhin zu bleiben pflegen. Leitende Jobs in anderen feinen Lokalen hätte er mühelos bekommen, doch er wollte nicht. Die Nachfolge des berühmten Harald Wohlfahrt geriet dann holpriger als gedacht, aber das sind Geschichten von vor zwei Jahren. Schwamm drüber. Auch dass ein deutsches Magazin zwischenzeitlich die Bewertung aussetzte, wegen einer angeblichen Lappalie, ist mittlerweile Geschichte. Inzwischen sind die Höchstnoten wieder da, vom Michelin bis zu all jenen Guides, die das Testen und Bewerten nur simulieren. Feuerprobe bestanden. «Man kann nicht erwarten, dass alle Beifall klatschen», sagt Torsten Michel dennoch demütig.
Applaudieren tun allerdings die Mitarbeiter der Traube Tonbach. Das imposante Ferienhotel, zu dem die Schwarzwaldstube gehört, ist schon mal in die Kritik geraten, weil der Inhaber angeblich allzu hohe Anforderungen an die Crew stellte. Doch das war entweder ein Gerücht oder wurde inzwischen behoben. «Wir haben eine lange Verweildauer bei den Mitarbeitern», sagt Michel. Maître David Breuer ist schon eine Weile da, Stéphane Gass, der Sommelier, gehört zum Inventar. Stammgäste wiederzuerkennen, sie zu betreuen, ihnen das Gefühl eines besonderen, ganz und gar unangestrengten Mittags oder Abends zu vermitteln: In der deutschen Spitzengastronomie ist so etwas nicht selbstverständlich.