12.11.2019

«Weniger ist mehr»

Interview: Virginia Nolan – Fotos: Njazi Nivokazi
Von der Internetseite bis hin zur Speisekarte: Robin Strebel gestaltet den visuellen Auftritt namhafter Hotels und Restaurants. Der Werbeprofi weiss, wie Betriebe ihre Marke richtig pflegen – und warum Selbstversuche dabei oftmals ins Auge gehen.
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«Die meisten Gastrobetriebe unterscheiden sich im Hinblick auf ihr Corporate Design wenig von Spengler- oder Elektrikerbuden.»

Wie schafft es ein Betrieb, sich ins beste Licht zu rücken?
Robin Strebel: Indem er seine Nische erfolgreich besetzt. Das bedingt, dass der Gastronom seine Zielgruppe kennt und dass er ein Konzept im Hinblick auf das Angebot und das Interieur hat. Erst wenn diese Grundvoraussetzungen erfüllt sind, kommen Überlegungen zum Erscheinungsbild ins Spiel. Alles andere ist nicht sinnvoll.

Warum nicht?
Der Gast kommt nicht, um seinen Hunger zu stillen. Diese Zeiten sind vorbei. Heute essen Leute auswärts, weil sie etwas erleben wollen, und ein gutes Erlebnis setzt eine gute Geschichte voraus. Keine beliebige, sondern eine, die einem roten Faden folgt, der über die Küche hinausgeht und deutlich macht, wofür der Betrieb steht. Unser Job ist es, ein Erscheinungsbild zu erarbeiten, das diese Botschaft aufgreift. Der visuelle Auftritt soll das gastronomische Konzept nach aussen tragen.

Wie gut gelingt das denn Schweizer Hotels und Restaurants?
Die meisten Gastrobetriebe sind KMU, und im Hinblick auf ihr Corporate Design, also den visuellen Auftritt, unterscheiden sie sich wenig von Spengler- oder Elektrikerbuden: Darunter gibt es gute und schlechte Beispiele, die meisten sind irgendwo im Mittelfeld anzusiedeln und fallen daher kaum auf.

Was unterscheidet ein gutes von einem schlechten Design?
Ein gutes Design basiert auf einer Idee, und die soll formal gut umgesetzt sein. Es muss kein Geniestreich sein, aber handwerkliche Kriterien erfüllen, zum Beispiel im Hinblick auf Grafik und Typografie. Viele Leute denken, sie könnten das auch selber machen. Aber Grafiker ist ein Beruf wie Schreiner, der gelernt sein will, sonst verfehlt das Produkt vermutlich seine Wirkung. Man kann dabei tatsächlich einiges falsch machen.

Zum Beispiel?
Wenn Sie ein Fonduestübli betreiben, das im Look einer Pizzeria daherkommt, ist das falsch. Der Gast ist verwirrt, er wird Sie unglaubwürdig finden. Gleichermassen haben Sie ein Problem, wenn erst das Essen daran erinnert, dass man beispielsweise in einem Bistro sitzt. Der Begriff des Bistros ist mit Erwartungen an ein gewisses Flair verbunden, das über das Kulinarische hinausgeht. Die Lust darauf müssen Sie wecken, bevor der Gast seinen Fuss in die Tür setzt – und zwar mit einem entsprechend gestalteten Erscheinungsbild vom Menüaushang bis zur Internetseite. Selbstverständlich gibt es auch erfolgreiche Restaurants mit miserablem Corporate Design – die kochen dann einfach sehr gut. Gleichermassen sind professionelle Gestalter kein Allheilmittel gegen ein schlecht laufendes Geschäft.

Was sollten Gastronomen beachten, um im Hinblick auf das Erscheinungsbild ihres Betriebs die gröbsten Schnitzer zu vermeiden?
Weniger ist mehr, wäre mein Rat. Das heisst zum Beispiel, dass man nicht versuchen sollte, zu viele Gestaltungselemente oder Informationen auf einem Medium unterzubringen, sei es auf der Website oder auf der Speisekarte. Eine weitere Faustregel lautet, dass sich auf ein, maximal zwei Schrifttypen beschränken sollte, wer Typografie nicht beherrscht. Gerade im Hinblick auf die Speisekarte sind abenteuerliche Selbstversuche gang und gäbe. Besser wäre es, die Karte mit einer Schreibmaschine auf ein sauberes Blatt Papier abzutippen. Ich wage zu behaupten, diese Lösung käme bei jedem Betrachter besser an.

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Der Erfolg einer Marke geht über das Design hinaus – sie muss auch unter die Leute gebracht werden. Wie funktioniert denn nun gute Werbung?
Sie soll überraschen. Überraschend ist eines der treffendsten Kriterien, wenn es darum geht, was Werbung sein soll.

Pro Tag prasseln rund 2500 Werbebotschaften auf uns ein. Wie soll die einzelne uns noch auffallen?
Durch eine Idee, die der Konsument so nicht erwartet hätte. Denken wir beispielsweise an die Werbespots vor einem Kinofilm. Bei den meisten reden die Leute weiter. Müssen sie hingegen lachen, haben wir einen guten Job gemacht.

Haben Sie ein konkretes Beispiel für Werbung, die überrascht?
Spontan kommt mir die Plakatwerbung der Schweizerischen Mobiliar in den Sinn, diese Bleistiftzeichnungen mit den Strichmännchen, die Schadenfälle humorvoll darstellen. Versicherer werben meist anders. Der Kontext ist ernst, man betont Prävention. In der Mobiliar-Werbung aber knallts, man muss schmunzeln. Es gibt Leute – ich zähle mich dazu –, die sagen, Werbung müsse sich die Aufmerksamkeit des Konsumenten verdienen. Es gibt aber auch die andere Möglichkeit.

Nämlich?
Konsumenten so lange zuzudröhnen, bis sie einen kennen. Das geht immer – wenn man unheimlich viel Geld hat. Klassiker hierzu sind die Putz- und Waschmittelwerbungen aus den Achtzigern, die zur Hauptsendezeit in Endschlossschlaufe liefen. Über diese Spots hat nie jemand gesprochen, trotzdem kennt jeder Meister Proper. Diese Art Werbung ist nicht per se schlecht, sie wählt einen anderen Weg, um unsere Aufmerksamkeit zu erlangen.

Viele Gastronomen sagen, sie hätten für externe Werbemassnahmen kein Geld.
Ich bezweifle eher, dass sie es sich leisten können, auf Kommunikationsprofis zu verzichten. Der Konkurrenzkampf in der Branche ist riesig. Und zu einer professionellen Beratung gehört, dass man auch für ein begrenztes Budget Lösungen findet.

Was heisst das in Zahlen?
Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Es ist unser Arbeitsaufwand, der Kosten generiert. Wenn ich mit dem Kunden Pingpong spiele, ihm zig Möglichkeiten aufzeige, die er dann nochmals überarbeitet haben will, wird es teurer. Ist sich der Kunde hingegen im Klaren über seine Ziele und seine Erwartungen, können wir früh eine Richtung einschlagen. Wenn wir den visuellen Auftritt vom Logo über die Website bis hin zu Visiten- und Speisekarte entwickeln, kostet das schnell ein- mal 15 000 bis 30 000 Franken.

Für kleinere Betriebe ist das kein Pappenstiel.
Das sind durchaus hohe, aber einmalige Initialkosten. Folgekosten, etwa für Anpassungen der Speisekarte, sind gering. Es gibt Lösungen, um saisonale Spezialitäten ohne viel Aufwand zu kommunizieren. Gute Kommunikation setzt nicht endlose Ressourcen voraus, man muss die vorhandenen klug einsetzen. Das verlangt Disziplin vom Gastronomen: Er kann sich nicht immer wieder neu erfinden. Es ist selten der Fall, dass für Kommunikationsmassnahmen das Geld fehlt – häufig ist es einfach nicht eingeplant, weil sich viele KMU mit Budgetieren schwertun. Dabei gibt es Faustregeln.

Nämlich?
Sie lauten für Gastronomiebetriebe gleich wie für andere Dienstleistungsunternehmen: Drei bis fünf Prozent des Umsatzes sollten in Marketing- und Kommunikationsmassnahmen investiert werden.

Welche Werbekanäle muss ein Gastronom zwingend bespielen?
Zuerst einmal soll er sein Corporate Design in Ordnung bringen, das ist das Fundament. Von grösster Bedeutung ist die Website als digitale Visitenkarte. Sie muss aktuell sein und alle wichtigen Informationen listen: Karten, Öffnungszeiten, Preise. Das wollen die Leute sehen. Und, ganz wichtig: Bilder.

Was ist mit sozialen Medien?
Mit diesem Thema muss sich ein Gastronom auseinandersetzen, er sollte dabei aber nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Denn diese Kanäle funktionieren nur, wenn sie entsprechend gepflegt werden. Um Instagram und Facebook richtig zu bespielen, brauchen Sie sicher drei Posts pro Woche. Aufs Jahr aufgerechnet, sind das 150 Beiträge – die müssen erst mal umgesetzt werden. Und dann sollten Sie sich etwas einfallen lassen, um die Themen zu variieren, im Netz will keiner zweimal dasselbe sehen.

Ist Instagram für Gastronomen Pflicht? In der Schweiz nutzen 1,8 Millionen Menschen Instagram. Das macht den Kanal auch für Gastronomen interessant, besonders für Betriebe, die überregional und auf Touristen ausgerichtet sind. Ob das auch für regional ausgerichtete Restaurants der Fall ist, kann man hinterfragen.

Und Facebook?
Facebook ist nicht grad der Lieblingskanal von Hipstern und Trendsettern, aber das soziale Medium der breiten Masse. Da findet jeder, der eine Dienstleistung bietet, seine Zielgruppe. Wichtig ist, dass er den Account pflegt: Es braucht regelmässige, abwechslungsreiche Beiträge. Ich fordere Leute auf, mir zu folgen, ich muss wissen, wer meine Bilder ansieht, und auch die von Freunden kommentieren. Zudem dürfen Kommentare von Gästen auf keinen Fall unbeantwortet bleiben. Nur so kommt man zu substanziellen Followern.

Robin Strebel (42) arbeitete nach seiner Ausbildung zum Grafiker als Art Director und Konzepter für verschiedene Werbeagenturen. Über 30 nationale und internationale Auszeichnungen zeugen von seinem kreativen Schaffen. 2010 gründete er das Büro Strebel, eine Agentur für Kommunikation und Design. Zu Strebels Kunden gehören unter anderem die Péclard-Betriebe, die Restaurants der Commercio-Piccadilly AG, die Tschuggen-Hotelgruppe, das Glow by Armin Amrein sowie das Restaurant Degenried und das Bistrot chez Marion in Zürich. 

www.buerostrebel.ch