«Wir geben alles Geld, das wir einzahlen, auch aus.»
Zusammen mit Ihrer Partnerin Heike Schmidt führen Sie seit 13 Jahren das Fünf- Sterne-Superior-Hotel Lenkerhof. Was ist die wichtigste Eigenschaft, die es dafür braucht?
Jan Stiller: Der Druck auf die Hotelière oder den Hotelier hat zugenommen. Man muss ein Generalist sein, bei allen Themen, die im Haus wichtig sind. Dazu gehören zuerst einmal der Verkauf und das Marketing, aber auch bei der Mehrwertsteuer, der Luftschutzkellerverordnung oder den Digitalisierungsprozessen sollte man Bescheid wissen. Dann muss man ein guter Gastgeber oder eine gute Gastgeberin sein, am besten sechs Sprachen fliessend sprechen und auch als Leader überzeugen. Die Mitarbeitenden wollen geführt werden, aber anders als früher.
Was meinen Sie damit?
Man muss viel differenzierter auf die Mitarbeitenden eingehen. Früher wusste man, im Spa funktioniert es so, in der Küche denken sie so und in der Hauswirtschaft läuft es nochmal anders. Heute müssen wir vor allen unseren 140 Angestellten wissen, was sie bewegt, wie wir sie motivieren können. Seit Covid-19 haben wir unser Personalbüro auf 300 Stellenprozent verdoppelt und tun wirklich viel dafür, Mitarbeitende zu finden und zu halten. Mit Erfolg, mittlerweile können wir auch wieder unter den Bewerbungen aussuchen.
Als Delegierter repräsentieren Sie seit 2018 die 24 Mitglieder von Relais & Châteaux in der Schweiz und in Liechtenstein. Wie profitiert der Lenkerhof von der Hotelkooperation?
Es gibt viele Vorteile. Relais & Châteaux hat eine andere Reichweite und ist insbesondere bei Schweizer Betrieben ein Türöffner für ausländische Gäste. Dann unterstützt uns die Organisation auch bei der Rekrutierung. Seit letztem Jahr gibt es etwa ein Tool, mit dem wir unter den insgesamt 580 Hotels und Restaurants Personal austauschen können. In Griechenland ist im Winter nichts los, bei uns kann man dafür Geld verdienen. So konnten wir letztes Jahr drei griechische Mitarbeitende verpflichten, die im nächsten Winter wiederkommen. Letztlich gibt es aber vor allem einen grossen Unterschied zu anderen Kooperationen.
Und der wäre?
Bei Relais & Châteaux sind es die Hotelièren und Hoteliers, die entscheiden. Wir sind die Besitzer. Relais & Châteaux ist kein Konsortium, an das wir Mitgliederbeiträge bezahlen, sondern uns gehört die Firma, und die ist auf Nonprofit ausgerichtet. Will heissen, wir geben alles Geld, das wir einzahlen, auch aus. Es gibt keine Investoren, die befriedigt werden müssen.
Was ist Ihre Aufgabe als Delegierter der Schweiz und Liechtenstein?
Ich muss dafür schauen, dass die Geschäftsleitung Schweiz einen guten Job macht: Als Delegierter vertritt man die gesamten Interessen aller Mitglieder der Delegation in Paris, wo unser Hauptsitz ist. Das Ziel ist es, dass die Mitglieder die besten Dienstleistungen erhalten und zu- frieden sind. Zufrieden sind sie, wenn sie direkte Reservationen erhalten. Bei jeder Drucksache von Relais & Châteaux steht immer der Kontakt der Betriebe und nicht jener zur Zentrale im Vordergrund. Alle Aktivitäten zielen immer auf die direkte Buchbarkeit. Die Organisation will nicht von Kommissionen leben. Denn diese machen das Produkt für den Gast nur teurer oder dann aber weniger attraktiv für den Hotelier.
Allerdings ist die Rentabilität der Mitgliedschaft in Zahlen so nicht wirklich messbar.
Stimmt. Es kann sein, dass ein Gast über Booking.com bucht, aber über Relais & Châteaux auf das Haus aufmerksam geworden ist. Darum muss man die Mitgliedschaft auch als Ganzes betrachten. Alle Hotelkooperationen sind letztlich Verkaufsorganisationen, dazu profitieren wir aber auch im Einkauf oder wenn Kreditkartenkonditionen für die ganze Delegation ausgehandelt werden. Stark sind wir in der Gästeerkennung. Wenn jemand einen Account bei Relais & Châteaux hat und bei uns ein Zimmer bucht, habe ich alle seine Daten, und zwar datenschutzkonform. Wir sind die einzige Organisation ausserhalb von Booking.com und den grossen Hotelketten, die so ein System hingekriegt hat.
Wie teuer ist die Mitgliedschaft?
Die Beiträge werden über ein Punktesystem geregelt. Ein Restaurant ergibt eine gewisse Anzahl Punkte, eine Junior-Suite oder eine Villa ebenfalls. So kommt jeder Betrieb auf eine bestimmte Punktzahl. Das Board of Directors, in dem ich Einsitz habe, entscheidet jedes Jahr neu, wie viel ein Punkt kostet. Während Covid-19 hat die Vereinigung massive Nachlässe gewährt, je nachdem, wie schwer ein Hotel in einer bestimmten Region betroffen war. Das fand ich super. Es zeigt den Familienspirit, der bei Relais & Châteaux herrscht.