«Die Firmen müssen verstehen, dass sie nicht nur in Maschinen investieren sollten, sondern auch ins menschliche Kapital.»
Sie führen das El Celler de Can Roca in Girona gemeinsam mit Ihren beiden Brüdern Joan und Jordi. Welchen Einfluss haben diese familiären Bande auf Ihr Team?
Josep Roca: Natürlich sind wir ein Familienbetrieb, aber damit sind wir ja beim besten Willen nicht allein. Unsere Mitarbeiter sind selbstverständlich eingeladen, Teil unserer Familie im El Celler zu sein. Wichtiger noch als diese Integration ist aber, dass wir ihnen Anerkennung schenken – und dass wir ihnen zuhören.
Warum ist das Ihrer Meinung nach elementar?
Nun, das Zuhören ist ein wichtiger Pfeiler unserer Philosophie. Wir haben einen Mund und zwei Ohren: Also sollten wir doppelt so viel zuhören wie reden. Ich finde, das ist Teil unseres Jobs.
Zusätzlich beschäftigen Sie im El Celler de Can Roca eine Haus-Psychologin, die Ihre Mitarbeiter wöchentlich trifft.
Tatsächlich hören wir nun seit neun Jahren zu. Und seit sechs Jahren tun wir das professionell, sprich in Zusammenarbeit mit unserer Psychologin, ja. Wissen Sie, wir alle haben nicht wirklich gelernt, über unsere Gefühle zu reden. Weil das aber sehr wichtig ist, arbeiten wir daran. Die Firmen müssen endlich verstehen, dass sie nicht nur in Maschinen investieren sollten, sondern unbedingt auch ins menschliche Kapital.
Was raten Sie anderen Gastronomen diesbezüglich?
Grundsätzlich gibt es, was die Work-Life-Balance von Mitarbeitern in der Gastronomie betrifft, noch viel zu tun. Und auch wenn wir uns jetzt nicht Anführer in diesem Bereich nennen wollen, denke ich, dass wir durchaus Pioniere sind – eben darin, über Gefühle zu reden. Wir wünschen uns Nachahmer und sind überzeugt, dass das die Zukunft der Branche sein muss.
Apropos Zukunft: Selbst bei der Auswahl neuer Mitarbeiter kommt Ihre Psychologin zum Zug.
Das ist richtig. In den Lebensläufen, die wir erhalten, steht in der Regel stets das Gleiche drin: Ich reise gern, ich mag die Arbeit am Computer und ich habe schon da, da und da gearbeitet. Das sagt nicht wirklich etwas aus. Deshalb haben wir gemeinsam mit unserer Psychologin einen Fragebogen entwickelt. In 20 Punkten gehen wir der Motivation und der Eignung eines potenziellen neuen Mitarbeiters auf den Grund: Wir fragen beispielsweise nach dem besten respektive schlimmsten Tag, den jemand bei der Arbeit in einem Restaurant erlebte. Wir fragen aber auch, ob jemand Geschwister hat oder ein Haustier.
Ein Haustier?
Genau. Denn wer ein Haustier hat oder hatte, weiss, wie es ist, Verantwortung zu tragen und Zuneigung zu empfinden. Und beides ist in unserem Job entscheidend.