«Um junge Talente zu fördern, müssen wir verstehen, was sie sich wünschen und vorstellen.»
Die Fundaziun Uccelin ermöglicht jungen Köchen und Servicetalenten Stages in Spitzenbetrieben – etwa bei Ihnen in Lima. Warum unterstützen Sie das Förderprogramm?
Virgilio Martínez: Weil es sinnvoll ist: Es bietet jungen Menschen die Chance, gestandene Küchenchefs mit Erfahrung kennenzulernen. Davon profitieren sie – genau wie ich. Ich bin neugierig und erfahre von ihnen, wie es in anderen Küchen rund um die Welt läuft. Das Programm erweitert auch meinen Horizont.
Entscheidend sei dabei das Zuhören, sagen Sie.
Ja, dafür nehmen wir uns Zeit. Um junge Talente zu fördern, müssen wir verstehen, was sie sich wünschen und vorstellen – und ihnen entsprechende Aufgaben geben. Sie brauchen Anleitung, vor allem aber Empathie. Ich sage ihnen: Schau, ich bin 42, du bist 20, ich könnte dein Vater sein – und doch haben wir die gleichen Zweifel im Leben, machen uns ähnliche Gedanken.
Sie sind sehr erfolgreich, landeten 2016 mit dem Central auf Platz vier der Liste The World’s 50 Best Restaurants. Was geben Sie den Uccelin-Stipendiaten, die Sie besuchen, auf den Weg?
Wie stolz wir auf die Produkte sind, die wir in Peru haben. Wir konnten in all den Jahren eine Identität entwickeln, die ein Nachwuchstalent allenfalls erst entwickeln muss. Ich stelle mir vor, wie so ein junger Koch in seine Heimat zurückkehrt und dort eines Tages etwas macht, was von unserer Arbeit in Peru inspiriert ist.
Was unterscheidet eine Schweizer Profiküche eigentlich von einer peruanischen?
In erster Linie, dass die Gastronomie in Südamerika jung ist. Sie ist neu, während es hier eine Tradition gibt, die für Struktur sorgt und es schwerer macht, andere Wege zu gehen. Wir sind die Rebellen: Wir brechen mehr Regeln.
Sollten das Schweizer Köche auch öfter tun?
Nicht unbedingt. Denn wer hier Regeln bricht, tritt automatisch einem Traditionalisten auf die Füsse. In Peru fühlt sich von einem Regelbruch kaum einer gross angegriffen. Wichtig ist einfach: Um eine Regel zu brechen, muss ich mich vorher richtig mit den Traditionen vertraut machen. Nur wenn ich die klassische französische Küche beherrsche – und das tue ich –, kann ich beurteilen, ob ein Rezept, das ich mal von einem französischen Koch erhalten habe, auch in Peru funktioniert. Oder eben nicht.