«Ich war erst mal geschockt. Damit hatte ich nicht gerechnet.»
Ab September zieht es Sie an die Bahnhofstrasse: Sie werden Geschäftsführer im Ristorante Ornellaia, dem Flaggschiff der Bindella-Betriebe. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Antonio Colaianni: Nachdem wir im Gustav Ende 2019 aufhören mussten, hatte ich ja eigentlich vor, selbständig zu werden. Dann kam Corona – und damit verbunden die grosse Frage: Was, wenn wieder so etwas kommt? Fakt ist, dass sich ein Jungunternehmer einen finanziellen Absturz, wie er dann droht, mit 50 nicht mehr leisten kann – weil zu wenig Zeit bleibt, sich davon zu erholen. Ich hatte das Glück, dass mich seit dem Ende im Gustav immer wieder attraktive Angebote erreichten. So fasste ich den Entschluss, meine Pläne von der Selbständigkeit zu begraben und mich wieder anstellen zu lassen, sofern der Betrieb stimmt.
Was macht das Ornellaia zur richtigen Wahl?
Es hat mit 48 Plätzen die perfekte Grösse, steht für eine Auffassung von Qualität, die ich teile, und ist ein gepflegter, eleganter Betrieb. Peter Herzog, mit dem ich im Restaurant Clouds zusammenarbeitete, hatte sich bereits im Frühling bei mir gemeldet, um ein Treffen mit Rudi Bindella jr. zu arrangieren, der an einer Zusammenarbeit mit mir interessiert sei. Ich war neugierig – aber erstmal geschockt, als Rudi mir im Gespräch eröffnete, dass es ums Ornellaia geht. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Warum nicht?
Weil der bisherige Küchenchef, Giuseppe D’Errico, dort hervorragende Arbeit leistete. Ich kenne und schätze Giuseppe. Ich habe zweimal bei ihm gegessen, gerade das zweite Mal war schlichtweg grossartig. Giuseppe hat sich hier innert kürzester Zeit enormes Ansehen erarbeitet. Ich freue mich sehr auf meine neue Aufgabe, aber für ihn ist der Abschied natürlich eine Ernüchterung. Das machte mir schon zu schaffen.
Sie sollen nun bewerkstelligen, was Ihr Vorgänger nicht schaffte: Ein breiteres Publikum ansprechen und den Betrieb wirtschaftlicher machen. Wie sieht Ihre Strategie aus?
Wir müssen uns nichts vormachen: Geld verdienen lässt sich auf diesem Niveau kaum. Nicht umsonst zieht es immer mehr Spitzenrestaurants unter die Fittiche von Hotels, die den Gastronomiebetrieb quersubventionieren. Meine Aufgabe wird es sein, den Verlust möglichst einzudämmen. Der Umsatz muss steigen, so lautet ganz klar die Vorgabe. Das ist eine Herausforderung, aber ich freue mich darauf. Zudem durfte ich mir in den vergangenen 22 Jahren eine breite Stammkundschaft erarbeiten, was die Gästefrequenz im Ornellaia, so denke ich einmal, erhöhen wird. Diesen Vorteil hatte mein Vorgänger nicht, weil man ihn hier noch nicht kannte. Er war ja damals ganz frisch in die Schweiz gekommen. Die Meldung zu meinem neuen Job hat ein unglaubliches Echo ausgelöst: Das Telefon hörte nicht mehr auf zu klingeln, mich erreichten so viele Gratulationen. Das stimmt mich froh und macht zuversichtlich.
Was wollen Sie im Ornellaia ändern, was bleibt?
Als Erstes habe ich an der Weinkarte herumgeschraubt: Weine aus dem Gut Ornellaia stehen immer noch im Fokus, aber nicht mehr ausschliesslich. Ich habe Rot- und Weissweine aus Süd- und Norditalien dazu genommen, ebenso Burgunder, Bordeaux und gewisse Winzerchampagner. Im Gustav waren wir berühmt für unsere Weinkarte – diese Vielfalt kann ich hier nicht anbieten, aber etwas mehr Auswahl scheint mir gerade im Hinblick auf die Gästefrequenz wichtig zu sein. Da braucht es schon ein bisschen Spielraum, damit den Leuten nicht langweilig wird. Allgemein werden wir das Preisniveau etwas nach unten korrigieren, ich sage mal, um gut zehn Prozent. Es wird keine Hauptgänge um die 80 Franken mehr geben – dafür alltagstauglichere Gerichte, wie wir sie im Gustav hatten. Was bleibt, ist der Qualitätsanspruch, den man mit diesem Betrieb verfolgt.
Ihre Küche soll gemäss Bindella «noch italienischer» werden. Was heisst das?
Darüber muss ich mir im Detail noch Gedanken machen. Sicher ist, dass italienische Klassiker, leichter und modern interpretiert, eine wichtige Rolle spielen werden. Meine klassisch-französische Ausbildung und die damit verbundene Technik werden mich aber weiterhin begleiten. Ich sage ja immer: An seinen Fonds und Saucen erkennst du, ob ein Koch sein Handwerk beherrscht. Die klassisch-italienische Küche arbeitet kaum mit Fonds; geschmacklich geht sie daher nicht so in die Tiefe wie die französische, punktet aber dafür mit ihrer Frische und genialen Schlichtheit. Ich versuche, in meiner Küche das Beste aus beiden Welten zu verbinden.
Wer aus Ihrem alten Team wird Sie auf Ihrem neuen Weg begleiten?
Mein Küchenchef Antonino Alampi und Souschef Patrick Frischknecht –weitere Namen verrate ich erst, wenn die Verträge unterschrieben sind.