«Ich bin kein Dogmatiker. Der lokale Bezug ist für mich Inspiration, aber nicht oberstes Gebot.»
Exotische Früchte und Meeresprodukte haben in Ihrer Küche künftig nichts mehr verloren. Warum?
Stéphane Décotterd: Weil es mich nicht länger sinnvoll dünkt. Viele dieser Produkte waren etwas Besonderes, als der Mensch noch nicht so mobil, die Welt noch kein Dorf war. Heute haben sie ihren Exklusivitätswert verloren. Nehmen wir Jakobsmuscheln als Beispiel: Die bekommen Sie überall, egal, ob Sie nun am Meer sind oder nicht. Dass sich diesen Genuss immer mehr Menschen leisten können, ist sicher positiv, es hat bekanntlich aber auch eine Kehrseite, wenn Luxus- zu Standardprodukten werden. Auch Umwelt- und Ethikfragen haben mich zum Umdenken motiviert. Und so habe ich beschlossen, Meeresfische und Co. in Zukunft meinen Kollegen am Mittelmeer, im Baskenland und in der Bretagne zu überlassen. Da passen sie besser hin. Ich will anderem Platz machen.
Nämlich?
Fischen und Krebsen aus dem Genfersee etwa, Gemüsen und Früchten vom Bauernmarkt in Puidoux oder den Wildkräutern, die meine Bekannte Anne-Marie in Gruyère pflückt. Das sind nur ein paar Beispiele. Es ist ja nicht so, dass die Zusammenarbeit mit lokalen Produzenten etwas total Neues für uns wäre. Aber ich möchte, dass meine Küche noch stärker zum Spiegel meiner Region wird. Diese konzeptuelle Veränderung hat viel mit meiner persönlichen Geschichte zu tun.
Inwiefern?
Ich darf im Le Pont de Brent auf sieben sehr erfolgreiche Jahre zurückblicken, was mich freut. Gleichzeitig verspürte ich immer stärker den Wunsch, meine Herangehensweise zum Handwerk, aber auch die Rolle als Gastgeber zu überdenken. Ich möchte in Zukunft das machen und teilen, was mir persönlich wirklich Freude bereitet. Dazu gehört, selbst Entdecker zu sein. Ich bin heute viel mehr unterwegs, besuche mindestens zweimal die Woche Produzenten und treibe mich auf Märkten herum, um mir meine Produkte auszusuchen. Das macht mehr Spass, als bei Bianchi anzurufen und die Bestellung aufzugeben. Diese Nähe zu Mensch und Terroir, sie macht Freude. Dennoch will ich mich nicht in ein Raster zwängen lassen.
Das heisst?
Ich bin kein Dogmatiker. Der lokale Bezug ist für mich Inspiration, aber nicht oberstes Gebot. Ich werde exotische Gewürze, Schokolade oder Olivenöl also nicht aus meiner Küche verbannen. Und ich habe innovative Produzenten, die mehr als einen Katzensprung von uns entfernt liegen, auch weiterhin auf dem Radar. So verarbeite ich etwa Enten aus dem Appenzell oder serviere Lamm von Bergbauern in Frankreich. Am Ende geht es mir darum, die besten Produkte anbieten zu können.
Ab Mai können Gäste testen, wie Ihre neue Küche schmeckt: Sie bieten dazu ein Spezialmenü zum Sonderpreis von 98 Franken an. Was erwartet uns?
Eine Entdeckungsreise rund um den Genfersee. Dabei spielen dessen Fische eine wichtige Rolle. Beim Angebot handelt es sich um ein marktfrisches Menü, das jede Woche ändert. Durch den relativ moderaten Preis erhoffe ich mir, dass auch viele junge Leute die Gelegenheit wahrnehmen, im Le Pont de Brent das kulinarische Erbe unserer Region zu entdecken.