Die Familie wächst weiter
Ja, sie sind vorbei. Die Zeiten, in denen ich für das Bestellen eines alkoholfreien Biers mitleidige Blicke erntete. Denn der natürliche Durstlöscher hat einen veritablen Imagewandel hinter sich. Früher wurde er belächelt, dann geduldet und heute wird er als isotonisches Getränk gefeiert. Die alkoholfreie Flüssigkeit hat die gleiche Konzentration an Elektrolyten wie unser Blut. So können Sporttreibende den Wasserverlust mit dem Trinken eines alkoholfreien Biers nach dem Training schnell kompensieren.
In der Schweiz wird derzeit mengenmässig so viel alkoholfreies Bier konsumiert wie noch nie zuvor. Der Schweizer Brauerei-Verband vermeldet für das Jahr 2023 einen Anteil am Gesamtmarkt von 6,3 Prozent. 2011 lag dieser Wert noch bei 2,5 Prozent. Und der Markt wächst weiter, denn es gibt nicht nur alkoholfreie Lager-Biere. Längst haben die Brauereien den Trend erkannt und sind emsig damit beschäftigt, auch aus anderen Biersorten alkoholfreie Varianten zu brauen.
Dabei kommen diverse Verfahren zum Einsatz: etwa das Kältekontaktverfahren oder die gestoppte Gärung. Zentral ist es beim Brauen, Malzzucker in Kohlensäure und Alkohol umzuwandeln. Dafür wird der Zucker erst aus der Braugerste gelöst. Dann kommt Hefe in den Kessel. Das passiert beim alkoholfreien Bier genauso. Beim erstgenannten Verfahren lässt das Brauteam den Alkohol gar nicht erst ansteigen. Mit tiefen Temperaturen erschwert es der Hefe die Arbeit. Sobald eine tiefe Konzentration erreicht ist, muss die Hefe wieder raus. Bei einer gestoppten Gärung wiederum kommt die Bierwürze nur kurz mit der Hefe in Kontakt. Sobald ein Gehalt von 0,5 Volumenprozent erreicht ist, erhitzen die Profis die Würze kurz. Die Hefe stirbt dabei ab. Und last, but not least entziehen Brauleute dem Bier das Ethanol nachträglich bei der Vakuum-Destillation. Wie der Name vermuten lässt, wird das Bier unter Vakuum erhitzt, sodass der Alkohol verdampft. Die Aromen bleiben erhalten.
Es gibt Brauereien, die unterschiedliche Prozesse für die Herstellung ihres alkoholfreien Biers kombinieren. Denn wenn es ihnen heute gelingt, ein feines, alkoholfreies Bier zu brauen, sind sie der Konkurrenz gegenüber klar im Vorteil – und breiten gern den Mantel des Schweigens über die Details. Mir soll es recht sein, wenn dadurch möglichst viele unterschiedlich hergestellte alkoholfreie Varianten auf den Markt kommen. So wächst die Vielfalt nämlich weiter.