Zeit für Veränderung
Unsere Welt hat sich dramatisch verändert. Was macht diese Pandemie mit uns? Wie geht unser Alltag weiter? Was lernen wir allenfalls für die Zukunft – und vor allem: Werden wir uns zum Guten ändern? Ich muss zugeben, für mich selbst hat sich nicht viel geändert. Für einen, der Entschleunigung zelebriert, die Langsamkeit feiert und einen Bestseller namens «a casa» geschrieben hat, ging der Tagesablauf fast weiter wie bisher. Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss.
Für alle anderen war «a casa» plötzlich Programm. Jetzt hatte ich die Leute endlich dort, wo ich sie immer haben wollte: daheim am Herd! Vom Zustand der ersten Lähmung kam es zu skurrilen (!) Hamsterkäufen, eifrigem Aktionismus und viralem Homecooking. Letzteres bescherte mir ungeahnte Vollzeitbeschäftigung. Alle wollten jetzt endlich eine Lievito Madre ansetzen und Sauerteigbrot backen. Und Pasta machen! Strikte von Hand natürlich. Klar. Wann, wenn nicht jetzt? Die Zeit rennt nicht davon und wir sowieso nirgendwo anders hin.
Auf allen Kanälen musste (und wollte) ich Erste Hilfe leisten. Anfragen und 1000 Tipps dazu prasseln einem heute ja rund um die Uhr in diversen Chats, Boxen, Messengers und Kommentarspalten um die Ohren. Vom blutigen Anfänger bis zu Spitzenköchen legten sich alle ins Zeug. Tage und Wochen darauf folgten die schönsten Erfolgsmeldungen in appetitlichen Bildern und wortgewaltigen Danksagungen. Hach, welche Freude! Welche Genugtuung! Ich hatte die Welt ein klein wenig verbessert. Den Leuten Zuversicht geschenkt: Ja, auch du schaffst das. Denn das macht Brotbacken mit uns. Es gibt uns das Gefühl, Dinge mit blossen Händen erschaffen zu können. Dinge, die uns nähren, befriedigen und glücklich machen.
Jetzt hoffe ich einfach, dass zumindest diese Kurve nicht abflacht. Bitte nicht. Bleiben wir dabei, die einfachen Dinge wieder zu schätzen. Etwas mehr Demut und Dankbarkeit an den Tag zu legen. Zeit als wichtigste Zutat zu begreifen. Den wahren Luxus darin zu sehen, was uns lokale Produzenten und die Jahreszeiten an fantastischen Erzeugnissen bieten.
Auf dem Weg zum Einkaufen auf meinem liebsten Biohof sehe ich allerdings wieder die Autokolonnen vor den Billigmärkten und Discountern. Und Verzweiflung macht sich breit. Habt ihr gar nichts gelernt? Wollt ihr einfach so weitermachen wie bisher? Ihr seid immer noch in der Mehrzahl, ihr seid die Masse, denke ich. Unsere Aufgabe ist es, einen anderen Weg zu zeigen. Tag für Tag. Zeile für Zeile. Wir müssen es vorleben.