Teenation erobert Kaffeewelt
Weltweit werden heute täglich 2,2 Milliarden Tassen Kaffee konsumiert. Längst hat die Starbucks-Mania Einzug gehalten und ist das To-go-Fieber bis aufs kleinste Café übergeschwappt. Nun aber lässt ein kürzlich veröffentlichter Jahresrückblick den Atem der Kaffeewelt stocken, denn eine Teenation hat 2023 (zukunftsweisend?) ins Kaffeegeschehen eingegriffen. Anlass genug, um in der Geschichte kurz zurückzuschauen.
Die Verbannung des Kaffeeröstens aus den westlichen Haushalten und somit eine erste einschneidende Veränderung des Kaffeekonsums läutete in den Sechzigerjahren des 19. Jahrhunderts der Amerikaner John Arbuckle ein: Er machte den Verkauf von geröstetem Kaffee im 500-Gramm-Beutel salonfähig. Weitere Meilensteine wie die Erfindung des Melitta-Papierfilters, die erste Espressomaschine oder die Entwicklung von löslichem Kaffee prägten den Kaffeekonsum nicht nur – der Nüchternmacher der Nation griff auch entscheidend in die Arbeitsmoral der Bevölkerung ein. Mit dem Wandel des Arbeiterlebens ging die Kaffeekultur des konsumierenden Westens Ende der Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts einer weiteren Wende entgegen: Man wollte sich noch schneller, unkomplizierter und unverbindlicher verpflegen. Mit Starbucks wurde ein Gigant ins Leben gerufen, der die folgenden Jahre massgebend beeinflusste. Der moderne Coffee Shop war geboren, die USA standen sinnbildlich dafür.
2023 nun hat China, das für einen Drittel der weltweiten Teeproduktion verantwortlich ist, die Kaffeewelt erschüttert. Erstmals in der Geschichte des Kaffees nämlich eröffnete ein Land mehr Coffee Shops als alle anderen – und überholte sogar die Vereinigten Staaten. Man lese und staune: Die Teenation China verfügt über mehr Coffee Shops als die USA! Die Lust der chinesischen Y- und Z-Generationen am westlichen Lifestyle treibt den Kaffeekonsum in Rekordtempo voran. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Amerikaner trinkt 363 Tassen pro Jahr, die Chinesin bescheidene fünf. Dafür gilt China mit seinen 4,2 Millionen 60-Kilo-Säcken jährlich als neuntgrösster Kaffeeproduzent weltweit: Diese Exportmenge deckt grob geschätzt den schweizerischen Konsum ab. Bis vor Kurzem indes war das schwarze Gold im Land der Mitte selbst kaum geschätzt.
Wie unfassbar schnell die Entwicklungen in China vonstattengehen, zeigen auch folgende Zahlen: Von den fast 50000 Coffee Shops im Land wurden 58 Prozent (!) in den letzten zwölf Monaten aus dem Boden gestampft. Die chinesische Kette Cotti Coffee etwa eröffnete 2023 über 6000 Outlets. Wer hierzulande vom gestiegenen Kaffeeinteresse der jungen Chinesinnen und Chinesen profitieren möchte, sei gewappnet. Denn mit ihnen wird sich wohl auch die Nachfrage in der Schweizer Gastronomie verändern: Es braucht vermutlich nicht nur mehr Kaffee, sondern auch bessere Qualität und andere, dem chinesischen Gaumen angepasste Röstungen. Wie sagt man so schön? You do the math.