Anschnitt

Upgrade in der Hölle

Wolfgang Fassbender

Jeder Aushilfsportier im Hotel weiss, was er dem anreisenden Gast so alles sagen muss (oder nicht sagen darf ), damit ihm dieser nicht gleich an die Kehle springt. Dass das Zimmer fertig sei, wo es das Frühstück gebe und wie sehr man sich freue, den Kunden begrüssen zu dürfen. Die Stimmung am deutlichsten heben lässt sich allerdings über Gratisleistungen. Ein Drink ist willkommen, die Ankündigung essbarer Snacks gilt als Highlight. Ganz vorn aber rangiert die Mitteilung, dass ein kostenfreies Upgrade gewährt werde.

Selbst der weit gereiste Ankömmling kann sich da eines auf- schwappenden Wohlgefühls nicht erwehren. Und das, obwohl er oder sie genau weiss, wie vergiftet das Geschenk sein kann. Wer lediglich ein Standardzimmer gebucht hat und auf einen Superior Room upgegradet wird, bekommt oft lediglich ein Zimmer, das über ein oder zwei Quadratmeter mehr Fläche verfügt, aber vielleicht ähnlich schrottreif ist. Manche Hotels entwickeln ungeahnte Kreativität, um immer neue Kategorien von Zimmern und Suiten zu benennen und solcherart die Up- grade-Möglichkeiten ins Unendliche zu steigern. Weil kein Gast den Überblick behält, lässt sich selten nachprüfen, ob man gepampert oder übers Ohr gehauen wird.

In anderen Teilen der Dienstleistungsbranche ist die Upgrade-Kultur noch nicht verbreitet – wenn man mal von den Fluggesellschaften absieht; eine Aufstufung von der Economy in die Business Class ist tatsächlich klasse, geschieht aber selten. Im Restaurant dagegen ist der Begriff komplett unbekannt. Noch. Wie wäre es damit, demnächst den Gast mal anders zu begrüssen. «Schön, dass Sie wieder da sind – wir haben Sie gerade gratis hochgestuft aufs längere Menü / auf einen Fensterplatz / auf die feinere Weinbegleitung.» Immerhin liesse sich so etwas, anders als im Hotel, tatsächlich im Nu nachvollziehen.

Wolfgang Fassbender

Gastronomie- und Weinjournalist
Ausgabe: Salz & Pfeffer 6/2022 / Datum: 15.11.2022