Jetzt gehts um die Wurst

Der Verein zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste feiert Halbzeit. Die genussaffinen Witzbolde haben noch viel vor – und durchaus ernsthafte Anliegen.
Interview: Virginia Nolan – Foto: z. V. g.
Veröffentlicht: 01.06.2018
Eine gute Blutwurst, so viel ist klar, soll in Naturdarm abgefüllt und schön prall sein, ihr Inneres glänzen und nach dem Anschneiden keinesfalls auslaufen. Und die Leberwurst? «Da scheiden sich die Geister», sagt VBL-Präsident Peter Bolliger.

«Wir gehen weg von der Filet-Fresserei, zurück zum Traditionellen. Die Leute wissen das zu schätzen

Der Verein zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste (VBL) begeht morgen hochoffiziell sein 49,5-Jahre-Jubiläum. Wären 50 Jahre nicht ein besserer Grund zum Feiern?
Peter Bolliger: Nicht für uns. Die fünf Studenten, die den Verein zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste sowie Rolling Stones Club im turbulenten Jahr 1968 gegründet hatten, gaben selbigem nämlich eine Verfassung, die – analog zu wichtigen Staatsverträgen – vorsieht, dass der Verein nach 99 Jahren aufgelöst werden muss. Seit besagtem 6. November 1968 sind 49,5 Jahre vergangen: Wir feiern also Halbzeit.

Die Rolling Stones sind dabei offensichtlich auf der Strecke geblieben.

Ja, die hatte man ursprünglich zum Vereinsorchester erkoren. Die Sache ist bekanntlich gescheitert. Nun denn, die Vereinsväter schweigen sich darüber aus, das gilt übrigens auch für Antwort auf die Frage, was sie dazu bewogen hat, den VBL zu gründen. War es Protest gegen die anrollende Fastfood-Welle? Eine Verulkung des Schweizer Vereinswesens? Der Startschuss für einen Metzgete-Guide-Michelin oder doch nur ein Deckmäntelchen für Zecher und Säufer? Wir wissen es nicht. Jedenfalls wars ein Genie-Streich.

Wie steht es denn 50 Jahre später um Ihr Anliegen beziehungsweise das Ansehen besagter Blut- und Leberwürste?
Wir sind mehr als zufrieden. In den letzten sechs Jahren ist der Verein von 60 auf 100 Mitglieder gewachsen, es sind viele junge Leute und Frauen darunter. Man interessiert sich wieder mehr für Blut- und Leberwürste, was damit zusammenhängt, dass wir als Gesellschaft endlich angefangen haben, unseren Umgang mit Lebensmitteln zu hinterfragen. Aus der Diskussion um die Food-Waste-Problematik etwa resultieren Trends wie Nose to Tail, und den hatte sich der VBL von Anfang an auf die Flagge geschrieben: Wir essen alles vom Tier. Blut- und Leberwürste, vor allem Letztere, sind eine sensationelle Möglichkeit, tierische Nebenerzeugnisse zu verwerten, welche die Lebensmittelindustrie einfach wegwirft. Wir gehen weg von der Filet-Fresserei, zurück zum Traditionellen. Die Leute wissen das zu schätzen. Dies verdanken wir auch mutigen Küchenchefs, die ihren Gästen beweisen, dass sogenannt zweitklassige Stücke erstklassig schmecken.

Worauf kommts bei einer guten Blut- beziehungsweise Leberwurst an?
Eine gute Blutwurst soll unter anderem in Kranzdärme abgefüllt und schön prall sein, ihr Inneres glänzen und nach dem Anschneiden keinesfalls auslaufen. Ich persönlich mag einen Hauch Zimt und Pfeffer in der Würze, für mich darf die Blutwurst ruhig ein bisschen rassig daherkommen. Und sie sollte idealerweise mit Schnüren statt Metallklammern verschlossen sein, das spricht für die handwerkliche Herstellung. Die Frage nach der perfekten Leberwurst ist ein heisses Eisen – da scheiden sich die Geister.

Woran?
Denken Sie bloss nicht, der Röstigraben sei die einzige Kluft, die dieses Land spaltet. Ähnlich virulent ist die Weinbeeren-Frage. Alle östlich des Aargaus, darunter auch die Zürcher, verpönen die kleinen Früchtchen in der Leberwurst, während bei Bernern und Konsorten nichts ohne sie geht. Abseits von diesem Minenfeld streitet man aber auch gerne und leidenschaftlich über die Frage, wie fest die Wurst im Biss sein soll und wie hoch ihr Leberanteil. Ich mag es, die Leber herauszuschmecken, will davon aber nicht erdrückt werden.

Welche Ziele setzt sich der VBL für die zweite Halbzeit?
Geselligkeit und Humor stehen ganz weit oben auf der Agenda. Daneben möchten wir uns weiterhin für die Qualität des Metzgerhandwerks und die Pflege seiner Traditionen einsetzen, uns aber auch vermehrt für die ökologische und artgerechte Haltung der Schlachttiere engagieren. Und, da wir ja nicht nur Geniesser, sondern auch ein Haufen Tüftler sind, wagen wir uns gerne mal in neue Gefilde vor: Gerade pröbelten wir etwa an Blutwürsten aus Kaninchenblut herum. Sie schmecken fantastisch. Zudem wollen wir uns international besser vernetzen. Zum Beispiel pflegen wir neuerdings Kontakt mit den Freunden der Thüringer Bratwurst, und in Madeira steht womöglich ein spannender Austausch zum Thema Blutwurst an. Sie sehen, uns wird nicht langweilig.

Peter Bolliger (50) aus Hirschthal ist Schreiner mit eigenem Unternehmen, Geniesser, Hobbykoch, Slow-Food-Mitglied und Präsident des Vereins zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste (VBL). Dieser fördert nach eigenen Angaben «das traditionelle Metzgetewesen, die Haltung von glücklichen Säuen und das gemütliche Zusammensein». Der VBL feiert heuer die Halbzeit seines Bestehens, das Zürcher Studenten bei der Gründung des Vereins anno 1968 auf 99 Jahre festlegten. Die Statuten sehen folglich vor, dass der VBL am 8. November 2067 aufgelöst und «das gesamte Vermögen bis auf den letzten Rappen verfressen» werde. Der VBL prämiert jedes Jahr einen Gasthof für ausgezeichnete Metzgete, entsprechend präsentiert sich die Liste amtierender und vergangener Meister, einsehbar auf der Homepage des Vereins, als valabler Gastro-Führer für Fans von Schwänzli, Schnörrli und Co.
www.vbl.org



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