Auf das Maximum reduziert

Sein direkter Sprung in die Zwei-Sterne-Liga verschaffte Kevin Romes vom Skin’s in Lenzburg viel Aufmerksamkeit. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr.
Interview: Sarah Kohler – Fotos: Jürg Waldmeier
Veröffentlicht: 04.04.2024 | Aus: Salz & Pfeffer 2/2024

«Was ist schon perfekt?»

Sie entschieden sich nach einem Schulpraktikum fĂĽr die Ausbildung zum Koch. Was hat in Ihnen das Feuer fĂĽr den Beruf entfacht?
Kevin Romes: Ein wichtiger Aspekt für mich war das Teamgefühl, das in der Küche sehr ausgeprägt ist: Die Leute sind nah beieinander, die Tage intensiv und lang. Das schweisst zusammen. Mir gefiel das – genau wie die Vielfalt der Produkte und Kombinationen, mit denen man arbeitet. Wir haben einen spannenden Job!

Wobei es Ihnen die gehobene Gastronomie besonders angetan hat.
Das stimmt. Als ich vor zwölf Jahren meine erste Stelle in einem Sterne-Lokal antrat – das war bei Johann Lafer – und sah, wie präzis man arbeiten und wie intensiv man sich mit einem Gericht beschäftigen kann, fing ich erneut Feuer für den Beruf. Eine nochmals andere Liga erlebte ich dann bei Christian Jürgens, der damals im Restaurant Überfahrt drei Sterne sowie 19,5 Punkte hielt und als bester Koch Deutschlands galt.

Was lernten Sie bei ihm konkret?
Abschmecken – und wie viel Leidenschaft man darauf verwenden kann. Präzision; dass ein Teller genau gleich aussieht wie der nächste. Perfektion. 

Wie definieren Sie Perfektion?
Ein schwieriges Wort. Was ist schon perfekt? Für mich ist es ein reduzierter Teller, in dem handwerklich ein maximaler Aufwand steckt – und auf dem alles, was da liegt, geschmacklich Sinn ergibt. Natürlich rückt das Visuelle in Zeiten von Instagram und Co. zunehmend in den Fokus, man kann über Social Media ja keinen Geschmack transportieren. Und doch halte ich genau den am Ende für entscheidend.

Allerdings gehört das Skin’s zu einer Klinik für plastische Chirurgie, da dürfte die Ästhetik doch besonders zählen. 
Klar, sie ist auch wichtig. Unsere Ästhetik ist einfach reduziert. Ich mag es clean und liebe einen schönen, aufgeräumten Teller. Manchmal, wenn wir ein Gericht entwickeln, passiert es mir, dass ich schon in einem frühen Stadium darüber nachdenke, wie das Ganze auf dem Teller aussehen soll. Dann bremse ich mich. 

Warum?
Ich möchte nicht in erster Linie auf Optik kochen, sondern eben zuerst dafür sorgen, dass der Geschmack stimmt. Der Rest kommt von allein. 

Wie läuft die Menükreation bei Ihnen ab?
Alle dürfen und sollen sich einbringen. Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen nicht nur fordern, sondern auch fördern. Jemand von uns kommt mit einer Idee – und dann gehts wie im Pingpong in der Küche hin und her. 

Wie haben Sie Ihre erste eigene Brigade zusammengestellt?
Mit ehemaligen Weggefährten, aus der Zeit im Einstein Gourmet beispielsweise oder im Schloss Elmau. Einfach mit Leuten, die ich kannte – und die vor allem schon wussten, was mir wichtig ist, in welche Richtung meine Küche gehen könnte. Als Erster mit an Bord war Pascal Hobler, mein Souschef. Mit ihm hatte ich im Einstein Gourmet in St. Gallen gearbeitet und danach engen Kontakt gehalten. Wir funktionieren gut zusammen.

Was ist Ihnen als Vorgesetzter wichtig?
Ich möchte, dass meine Leute Freude an der Arbeit haben, etwas lernen und sich entwickeln können. Generell ist die Hierarchie flach, wir unterhalten uns auf Augenhöhe und ich muss nicht rumschreien, damit klar ist, dass ich der Chef bin. Vom Trinkgeld erhalten alle gleich viel, weil alle gleich wichtig sind – und es für die individuelle Position und Leistung das Gehalt gibt. Und auch wenn wir während der Servicezeiten fokussiert sind, machen wir gern mal ein Spässchen. Die Zeit im Team ist wertvoll. Deshalb essen wir jeden Abend gemeinsam: Service und Küche inklusive Spüler. Oft setzen wir uns noch auf ein Feierabendbier zusammen. Und am Samstag schauen wir in der Küche Bundesliga.

Sie sind Bayern-Fan, Ihr Patissier brennt für Borussia Dortmund. 
In den Farben getrennt, aber in der Sache vereint: Wir alle lieben Fussball, das zählt.

Borschtsch – Rande, Räucheraal, Meerrettich
Mit Mike Suppiger (Mitte) von Hugo Dubno pflegen Kevin Romes und sein Souschef Pascal Hobler (rechts) engen Kontakt.
Balfego Sunrise – Thunfisch, Zitrus, Bittersalate
Eine Brigade mit Ambitionen: Pascal Hobler (Souschef), Sandro Roeder, Severin Beesten (Patissier), Anton Baecker, Asad Jaamac Adam, Ramon Sattler, Kevin Romes
Königinnenbrot – gekeimte Kokosnuss, Passionsfrucht, Thaibasilikum
Zeigt, was er mitgebracht hat: Feinkosthändler Simon Baurens (links) von Trois Champignons in Zürich
Suure Mocke – Rindsschulterspitz, Sellerie, Vin jaune
Der Zusammenhalt im Team wird im Skin’s regelmässig gestärkt (zum Beispiel mit Bier).

Das klingt nach viel Spass bei Ihnen…
Ist es tatsächlich. Bei uns läuft keiner wie ein geschlagener Hund durch die Küche. 

… und doch müssen Sie, wenn man Ihre Karriere anschaut, ein extrem ehrgeiziger Typ sein.
Das bin ich. Für mich war schon klar: Wenn ich mich auf das Sterne-Thema einlasse, will ich von den Besten lernen. Und ich finde, ich habe mir dafür sehr gute Köche gesucht. 

Unter anderem waren Sie bei Moses Ceylan und Sebastian Zier vom Einstein Gourmet in St. Gallen. Was hat Sie an den beiden als KĂĽchenchefs besonders beeindruckt?
Moses hat einen sehr perfektionistischen Anspruch; an sich, aber auch ans Team. Ich kenne keinen anderen Koch mit einem so breiten Allgemeinwissen wie er. Und Sebastian ist ein Vorbild in Sachen Teamführung: Er blieb stets geerdet, nahm sich nie wichtiger, als er ist. Das habe ich für mich mitgenommen: Wir haben im Skin’s zwar in Rekordzeit zwei Sterne erhalten – aber am Ende bin ich einfach ein Koch. 

Und wie wĂĽrden Sie Ihren eigenen Stil beschreiben?
Weltoffen und undogmatisch. Wir fahren hier zum Beispiel nicht die regionale Schiene, wie das andere tun.

Warum nicht?
Weil es nicht passen würde, nicht authentisch wäre. Es entspricht nicht dem, was ich in den letzten zehn Jahren gelernt habe. Ich war nie bei Köchen, die ihre Blümchen selbst pflücken, viel fermentieren oder einwecken. Deshalb kochen wir im Skin’s, worauf wir Lust haben – einmal durch die ganze Bandbreite. Wir kombinieren verschiedene Küchen, und wir entdecken gern Neues. Aktuell beschäftigen wir uns mit der gekeimten Kokosnuss. 

Erzählen Sie!
Wenn eine Kokosnuss bei der perfekten Temperatur von ungefähr 25 Grad sieben oder acht Monate lang halb im Wasser liegt, bildet sie im Innern einen Schwamm, den man essen kann. Dieser hat eine total eigene, sehr spannende Textur und steckt voller Geschmack. 

Lassen Sie uns zum Schluss noch einen Ausblick wagen: Wohin geht Ihre Reise mit dem Skin’s?
Auf jeden Fall verteidigen wir die zwei Sterne mit aller Kraft. Abgesehen davon, habe ich allerdings aufgehört, mir berufliche Ziele zu setzen. 

Heisst: FrĂĽher machten Sie das?
Ja, ich nahm mir zum Beispiel vor, im Skin’s nach zwei Jahren den ersten Stern zu holen und innerhalb von fünf Jahren den zweiten. Die Vorgabe haben wir übertroffen. Also schauen wir mal, was kommt, und versuchen, uns zu verbessern und voneinander zu lernen. Perfekt sind wir alle nicht.

Den Sternen auf der Spur 
Die Kochausbildung machte der Rheinländer Kevin Romes (33) im Dorint Parkhotel in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Dann zog es ihn über den Sommer an den Bodensee in ein Golfhotel und über den Winter in die Tiroler Berge. Dort endete die zweite Saison abrupt – mit einem Sturz auf der Skipiste und einem zertrümmerten Oberarm. In den folgenden Monaten, die Romes daheim verbrachte, reifte der Entschluss, den Sprung in die gehobene Gastronomie, mit der er länger geliebäugelt hatte, zu versuchen. Es folgten Stationen in Deutschland bei Johann Lafer (Stromburg, ein Stern) und Christian Jürgens (Überfahrt, drei Sterne), ein Abstecher nach Hongkong zu Richard Ekkebus (Amber, zwei Sterne) sowie zwei Jahre in St. Gallen bei Sebastian Zier und Moses Ceylan (Einstein Gourmet, zwei Sterne). Anschliessend zog Romes nach Bayern zu Christoph Rainer (Schloss Elmau, zwei Sterne). Zurück in die Schweiz holte ihn der Schönheitschirurg Felix Bertram, der für seine Klinik in Lenzburg einen Koch suchte: Im Skin’s darf Romes sein eigenes kulinarisches Konzept umsetzen, zudem kümmert er sich um die Mittagsverpflegung des Klinikpersonals (im Rahmen einer öffentlichen Kantine) sowie ums Essen für die Patientinnen und Patienten. Wenige Monate nach der Eröffnung des Lokals im Mai 2022 zeichnete Michelin Romes auf Anhieb mit zwei Sternen aus.

Skin’s, Dammweg 15b, 5600 Lenzburg, 062 511 60 05, skins-restaurant.ch



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