Nahe an der Realität

Nächste Woche findet in Genf der 42. Weltkongress für Rebe und Wein statt, bei dem auch die Ergebnisse der Agroscope thematisiert werden. Die leitende Wissenschafterin Katia Gindro sagt, wohin die Reise geht.
Interview: Tobias Hüberli – Fotos: z. V. g.
Veröffentlicht: 08.07.2019
Katia Gindro

«Sie lieben ihre Erde, ihre Reben und ihren Wein.»

Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit?
Katia Gindro: Das ist vor allem der direkte Kontakt zu der Praxis. Bei Agroscope forschen wir explizit, um die Konditionen im Acker- oder Weinbau zu verbessern. Wir sind mit unserer Forschung nahe an der Realität, haben aber gleichzeitig ein hohes akademisches Niveau. Diese Verbindung ist sehr anregend.

Welche sind die grössten Herausforderungen im Weinbau?
Wir beschäftigen uns stark mit Lösungen, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln vermindern. Das ist unsere Priorität, nicht erst seit dem nationalen Aktionsplan, der 2017 unterzeichnet wurde, sondern seit über 20 Jahren.

Welche Lösungen können Sie den Winzern bieten?
Ein Werkzeug ist etwa die Risikovorhersage auf der digitalen Plattform Agrometeo. Dort erhalten die Bauern Informationen darüber, welche Krankheiten zurzeit drohen und wie sie dagegen vorgehen können. Wir reden da vor allem von Pilzkrankheiten wie dem falschen Mehltau, dem echten Mehltau sowie der Graufäule. Und wir versuchen, natürliche Alternativen zu Pflanzenschutzmitteln zu entdecken.

Bei Agroscope forschen Sie auch an multiresistenten Reben. 2013 entwickelte Jean-Laurent Spring die rote Traubensorte Divico, letztes Jahr kam die weisse Sorte Divona auf den Markt. Wie schätzen Sie deren Potenzial ein?
Als sehr interessant. Dank diesen Sorten können die Winzer den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf ein Minimum reduzieren. Das beschert ihnen einen grossen ökologischen sowie ökonomischen Gewinn und gleichzeitig Weine von hoher Qualität. In den nächsten Jahren werden weitere Trauben auf den Markt kommen, mit anderen Geschmacksprofilen und hohen Resistenzen gegen den falschen und echten Mehltau. Dafür arbeiten wir etwa mit dem Forschungszentrum Inra in Colmar zusammen.

Spüren Sie bei den Winzern einen Willen, naturnah zu produzieren?
Absolut. Die meisten Winzer haben seit Anfang der Neunzigerjahre auf integrierte Produktion umgestellt. Sie lieben ihre Erde, ihre Reben und ihren Wein.

Wie beurteilen Sie die Akzeptanz von Divico und Divona unter den Winzern?
Die Produzenten müssen damit zuerst einmal Erfahrungen sammeln. Das wird seine Zeit brauchen. Aber mit der Gamaret-Traube hat das bereits einmal sehr erfolgreich geklappt. Klar, die Winzer werden ihre Rebberge nun nicht flächendeckend mit den neuen Sorten bepflanzen. Das wäre auch nicht für jedes Terroir sinnvoll. Aber Divico und Divona bieten jenen Bauern eine Lösung, die sich in der Nachhaltigkeit des Weinbaus engagieren wollen.

Wie beeinflusst der Klimawandel Ihre Arbeit?
Als Agroscope 1996 die Forschung an multiresistenten Trauben startete, stand der Klimawandel nicht im Vordergrund. Ziel war es, den Winzern eine ökologisch sinnvolle Alternative im Rebberg zu bieten. Jetzt muss man schauen, wie es weitergeht. Falls es bei uns durch den Klimawandel feuchter wird, begünstigt das den Mehltau. Die neuen Sorten könnten dann ein grosser Vorteil sein.

Am 15. Juli startet in Genf der 42. Weltkongress für Rebe und Wein. Rund 500 Fachleute aus aller Welt reisen dafür in die Region Genf-Lavaux. Damit rückt der Schweizer Weinbau für eine Woche ins internationale Rampenlicht. Das Bundesamt für Landwirtschaft will die Chance nutzen, um nicht nur die Qualität des helvetischen Weins, sondern auch die Forschungs- und Bildungsprogramme in diesem Bereich sichtbar zu machen. Am 15. Juli findet etwa eine öffentliche und in fünf Sprachen übersetzte Konferenz über den Einsatz und die Risiken von Pflanzenschutzmitteln statt. 



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