Angezapft

Es war einmal wenig Vielfalt

Die Schweiz ist ein Paradies für Biergeniesserinnen und -geniesser. Letztes Jahr haben landesweit 1212 Betriebe mehr als 400 Liter Bier gebraut und waren somit steuerpflichtig. Verglichen mit den Neunzigerjahren, als in der Schweiz gerade mal 32 Brauereien aktiv waren, die ihr Bier mit normierten Rezepten herstellen mussten, ist diese Entwicklung hocherfreulich.

Gleiches Bier von unterschiedlichen Brauereien? Als ich zum ersten Mal vom Bierkartell hörte, glaubte ich an ein Märchen. Ein Blick in die Geschichte klärte mich auf: Von 1935 bis 1991 prägte die Konvention der schweizerischen Brauereien die hiesige Branche. Dieses Kartell regelte den Biermarkt in Bezug auf die Gebietszuteilung, die Produkte, den Preis und die kollektive Werbung der Brauereien. 59 Konkurrenten schlossen sich an. Die damalige Zeit war von Krieg und Krisen geplagt; die Konvention wurde errichtet, damit sich die Schweizer Brauereien mit genügend Rohstoffen eindecken konnten. Der Staat griff den Brauern unter die Arme, besorgte die nötigen Zutaten und verteilte diese gerecht.

In den Sechzigerjahren begann sich Widerstand zu regen. Den Schweizerinnen und Schweizern ging es in dieser Zeit endlich besser, und die Konvention wurde zunehmend hinterfragt. Zudem wollten Brauereien vereinzelt ihr eigenes Bier herstellen. Auch der Detailhandel widersetzte sich dem Kartell immer stärker, was 1991 zu dessen Ende führte. Zu diesem Zeitpunkt war der hiesige Biermarkt in Sachen Vielfalt ausgetrocknet.

Im Jahr 1992 wurde die Gesellschaft zur Förderung der Biervielfalt ins Leben gerufen. Ziel war es, nach dem Fall des Kartells für eine möglichst grosse Bierpalette in den Beizen zu sorgen. Vor allem mit Druck und mit medialer Präsenz kämpfte der Verein fortan dafür, dem Bier in der Schweiz den Stellenwert zu geben, den es verdient.

Und nun können wir also in unterschiedlichem Bier von über 1200 nationalen Brauereien baden. Die Diversität ist in der Schweiz so gross wie nie zuvor. Es macht mir grosse Freude, landesweit immer wieder neue, unbekannte Biere zu entdecken. Leider muss man Restaurants mit einer anständigen Auswahl aber noch immer suchen. In der breiten Masse ist das Phänomen, dass es nur eine oder zwei Sorten Bier im Angebot hat, gang und gäbe. Dabei könnte man seine Gäste mit mehr Bierstilen viel besser verwöhnen. Das Schweizer Bier in seinen zahlreichen Geschmacksrichtungen verdient das Rampenlicht – nicht zuletzt auch im Gastgewerbe. Die Zeit ist reif für eine Bierkarte mit lokalem Gerstensaft.

Carole Gröflin

Präsidentin der Gesellschaft zur Förderung der Biervielfalt
Ausgabe: Salz & Pfeffer 3/2021 / Datum: 15.06.2021


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