Angezapft

Im Norden verzaubert

Ich habe mir diesen Sommer mit dem Besuch einer Brauerei einen Traum erfüllt. Zu den herzhaften Bieren aus dem Hause Põhjala greife ich schon lange immer mal wieder. Der Name Põhjala bedeutet übersetzt «nördliches Territorium». Genau dorthin zog es mich im Spätsommer, nämlich nach Estland. Als interessierter Genussmensch und Präsidentin der Gesellschaft zur Förderung der Bierkultur will ich mein Wissen rund ums Thema Bier stetig erweitern. So war es also nur konsequent, mir die Braustätte in Tallinn näher anzusehen.

Mein Herz machte vor Glück einen kleinen Sprung, als ich durch die grossen Fenster in die Brauerei hineinlinste und anschliessend die vielen spannenden Biere auf der Karte in ihrem Tap Room aufgelistet sah. Vor allem für die dunklen, hochprozentigen Biere ist die Brauerei bekannt. Ihr erstes kommerzielles Brauerzeugnis ist das Öö, ein Imperial Baltic Porter. Öö ist estnisch für «Nacht». Treffender lässt sich die Farbe des Bieres nicht beschreiben: Es ist so dunkel, wie ich mir eine wolkenverhangene, sternenlose estnische Winternacht vorstelle. Und hat dabei mit 10,5 Volumenprozent genügend Wumms, um gehörig einzuheizen.

Der Stil ist eine Variante des Imperial Stouts und entstand im Baltikum im 19. Jahrhundert. Im Jahrhundert zuvor waren die Originale aus Grossbritannien in die Region gekommen. Denn an der Ostsee waren britische Soldaten stationiert, die das Bier aus der Heimat vermissten. Dank des hohen Alkoholgehalts überstanden die Biere die Reise prima und waren bei Ankunft gut gereift. Allmählich begannen die Menschen im Baltikum, das Bier nach eigenem Wissen selber zu brauen. Wegen des kühlen Klimas verwendeten sie dabei untergärige Hefe. Das ursprüngliche Stout hingegen wird obergärig gebraut.

Eine Erfolgsgeschichte ist auch jene der vier Gründer von Põhjala. Losgelegt haben sie 2011 als Gipsy-Brauer, sie stellten ihre Biere also bei Vertragsbrauereien her. 2014 schliesslich eröffneten sie ihre eigene Produktionsstätte.

Wie ihr vollmundiges Öö kombiniert werden sollte, zeigt in der estnischen Hauptstadt ein Blick in die Speisekarte: Texas BBQ aus dem Smoker wird aufgetischt. Deftiges ist also gefragt, als Vegetarierin wähle ich Mac’n’Cheese. Eine valable Alternative wäre für ein anderes Mal Süsses: etwa ein Stück Cheesecake oder ein paar Reihen dunkle Schokolade mit Salz.

Nach einem Bier und dem Essen bin ich zufrieden. Schön, können bei Tap Rooms gleich mehrere Biere in Ein-Deziliter-Gläsern zum Probieren bestellt werden. Denn die Neugier und der Durst sind noch nicht gestillt. Wie kann man Nein zu Bieren sagen, die French Toast Bänger, Plum Barleywine und Strudel Stout heissen? Terviseks!

Carole Gröflin

Präsidentin der Gesellschaft zur Förderung der Biervielfalt
Ausgabe: Salz & Pfeffer 5/2023 / Datum: 03.10.2023


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