Das Eis muss noch brechen

Milch, Joghurt, Käse: Das alles gibt es auch auf Pflanzenbasis. Im vielfältigen Sortiment an veganen Molkereiprodukten ist ein Klassiker eher spärlich vertreten: Glace. Dabei hätten Hersteller einiges zu bieten – auch für Gastronomen.
Text: Virginia Nolan – Fotos: Tina Sturzenegger
Veröffentlicht: 31.03.2020 | Aus: Salz & Pfeffer 2/2020
Rahmglace-Alternative auf Kokosmilchbasis

«Immer mehr industrielle Hersteller steigen ins Geschäft mit der veganen Glace ein 

Der Trend zur pflanzenbasierten Ernährung, so sagen Konsumentenforscher, werde uns auch in Zukunft stark beschäftigen. Die Nahrungsmittelindustrie investiert Millionen in pflanzliche Proteinquellen, auf eine Innovation folgt die nächste. So führt mittlerweile jeder Supermarkt Fleischersatzprodukte und vegane Pendants zu Milch oder Joghurt. Wer hingegen eine tierproduktfreie Glace schlecken will, sieht sich mit einer vergleichsweise bescheidenen Auswahl konfrontiert. «Noch», sagt der Basler Glaceproduzent Christian Burget. «Im Detailhandel zieht der Trend an, in der Gastronomie ist er hingegen noch kaum spürbar.» Burget ist Geschäftsführer von Dream of Ice, beliefert Detaillisten und Gastronomen und bietet seit sechs Jahren auch veganes Eis an. «Dafür», sagt Burget, «mussten wir unser Handwerk überdenken.»

Milchprodukte spielen in der traditionellen Glaceherstellung eine wichtige Rolle: als Basisrohstoff, Geschmacksträger und Garant für eine cremige Konsistenz. «Bei veganen Rezepturen liegt die Herausforderung darin, auf pflanzlicher Basis ein ähnliches Resultat hinzukriegen», sagt Burget. Als Grundlage für seine vegane «Rahmglace» nutzt Burget Reismilch. Diese sei lieblich im Geschmack und günstiger als andere Pflanzendrinks. Ihren geringen Fett- und Proteingehalt kompensiert Burget mit einer Cashewcrème. Für vegane Sorbets verwendet er Erbsenprotein als Stabilisator – statt Milchprotein, wie es viele Sorbets traditionell enthalten.

Die erste vegane Glacemanufaktur der Schweiz war The Green Fairy in Zürich. Bereits 2012 lancierte Gründerin Sonja Dänzer eine Glacekollektion auf der Grundlage von Sojarahm. «Eine dankbare Basis», sagt Dänzer, «wir konnten uns damit fast eins zu eins an herkömmliche Glacerezepturen halten.» Komplizierter als die Herstellung erwies sich der Einkauf: «In ganz Europa fanden wir nicht einen Produzenten, der Bio-zertifizierten Sojarahm in grossen Gebinden anbietet. Wir mussten am Anfang auf 250-Milliliter-Packungen zurückgreifen – ein ökologischer Blödsinn.» Um Verpackungsabfall zu sparen, stellte The Green Fairy auf Seidentofu um, später brachte die Manufaktur eine weitere Glacelinie auf Reismilchbasis auf den Markt. Seidentofu, sagt Dänzer, bleibe jedoch ihr Favorit: «Er hat einen hohen Proteingehalt und diese unvergleichbar cremige, fluffige Konsistenz – ein Alleskönner in der Dessertküche.» Das Pendant aus Bio-Reismilch-Konzentrat resultiere in einer dichteren, aber weniger luftigen Glace. «Die Reismilchalternative haben wir eingeführt, weil Soja ein Allergen ist und sich Vorbehalte gegenüber dem Rohstoff hartnäckig halten», sagt Dänzer. «Dabei verwenden wir Bio-Soja aus Europa. Regenwald wird für die Fleischproduktion gefällt, sicher nicht für unsere Glace.»

Ihre Eiscrème sei eine Rahmglace-Alternative, kein Imitat, stellt Dänzer klar: «Es schmeckt nicht genau gleich und fühlt sich auch anders an. Der Reiz der veganen Küche liegt ja gerade darin, dass sie uns neue Horizonte im Hinblick auf Aromen und Konsistenzen eröffnet.» Bei subtilen Geschmacksrichtungen wie Vanille schmecke der Gaumen durchaus die Basis der Glace heraus – das gelte aber auch für Rahm.  «Bloss sind unsere Geschmacksknospen seit Kindertagen an Rahm gewohnt, was ihn neutral erscheinen lässt», sagt Dänzer. «Wer aber lange keinen gegessen hat und dann probiert, registriert seinen starken Eigengeschmack.» The Green Fairy beliefert vor allem Bio-Läden. «Die Becher verkaufen sich gut», sagt Dänzer, «das Mehrliterbidon für Gastronomen läuft dagegen überhaupt nicht.»

Mandelmilch ist aufgrund ihres dezenten Aromas ideal für die Glaceproduktion.
Die beliebtesten Basisrohstoffe für vegane Glace sind Reis, Sojabohnen, Mandeln und Kokosnuss. Für die Glaceherstellung wird vor allem ihre Milch verwendet.

Mittlerweile hat The Green Fairy seine Produktion an Mister Cool ausgelagert. Das solothurnische Familienunternehmen produziert im Auftrag kleinerer Manufakturen, aber auch für den Detail- und Grosshandel. «Sei es Kokos-, Mandel-, Reis- oder Sojamilch», sagt Geschäftsführer Daniel Jüni, «wir bringen heute mit allen Varianten eine richtig gute Glace hin. Welcher Sorte man den Vorzug gibt, ist eine reine Geschmacksfrage.» Die ersten Anfragen für vegane Glace verzeichnete Mister Cool von BioLäden und Reformhäusern, auf diese konzentriere sich die Kundschaft noch heute. «Es gibt schon auch Gastronomen, die vegane Dessert alternativen anbieten wollen, vor allem zu Anlässen», sagt Jüni, «insgesamt ist der Bedarf aber klein.» Im Detailhandel hingegen wachse er. «Eine Zeitlang legten unsere veganen Sorten stark zu», sagt Jüni, «mittlerweile stagniert der Umsatz.» Der Grund dafür sieht Jüni in der wachsenden Konkurrenz durch die Grossen der Branche.

Tatsächlich steigen immer mehr industrielle Hersteller ins Geschäft mit der veganen Glace ein. I Gelati, die Gastroglacemarke der Migros-Industrie, lancierte 2017 die Linie Coco Ice-Land. «Aufgrund sensorischer Kriterien wie Aroma und Textur entschieden wir uns für Kokosmilch als Basis», sagt Glaceentwicklerin Lea Amato. «Man erreicht damit eine unvergleichbar cremige Glace.» Weil Kokosmilch einen dominanten Eigengeschmack habe, werde Coco Ice-Land auch nur in der Geschmacksrichtung Kokos angeboten. «Es ist ein Nischenprodukt», sagt Verkaufsleiter Daniel Schaller zur Nachfrageentwicklung. «Im Detailhandel läuft Coco Ice-Land besser, aber ich denke, die Gastronomie wird nachziehen. Die Nachfrage ist durchaus da, vorerst vor allem in den Städten.» 2017 habe I Gelati auch die Sorbets überarbeitet, alle zwölf Sorten seien nun vegan und enthielten Erbsen- statt Milchprotein. «Gastronomen gibt das die Möglichkeit, mit einem bewährten Klassiker unterschiedliche Bedürfnisse abzudecken», erklärt Gastroexperte Schaller.

Dieser Zusatznutzen sei entscheidend, findet Beat Steiner, Category Manager Molkerei bei Transgourmet / Prodega: «Der Idealfall ist, wenn ein Produkt auch, aber nicht nur Veganer anspricht. Das erspart Gastronomen, Spezialprodukte ins Angebot aufzunehmen, die sie dann vielleicht nicht verkaufen können.» Transgourmet / Prodega führt unter anderem Sorbets der Marke Frisco, die der Hersteller Froneri 2018 auf vegane Rezepturen umstellte, sowie das vegane «Rahmglace» von Frisco Imperial auf Basis von Kakaobutter und Kokosöl. Die Nachfrage sei verhalten, sagt Steiner. Vegane Topseller beträfen vor allem Fleischersatzprodukte: «Wir führen beispielsweise allein acht verschiedene Sorten von pflanzenbasierten Burger-Pattys. Im Glacesegment ist der vegane Trend noch nicht angekommen.» Das bestätigt Rico Müller vom Grosshändler Pistor. Die veganen Sorten von Frisco Imperial liefen nicht wie erhofft: «Wir verkaufen davon praktisch nichts.» Unzufrieden ist man auch beim Hersteller Froneri. «Sollte sich die Nachfrage nicht deutlich verbessern, sehen wir uns gezwungen, die Produkte aus dem Sortiment zu nehmen», sagt Product Manager Dominik Studer.

Erfreulicher sind die Rückmeldungen von Küchenchefs. Fabian Fuchs vom Restaurant Equitable in Zürich etwa setzte vegane Glace auf Hafermilch- oder Kakaobasis auf die Karte. «Beides ist sehr gut angekommen», sagt er, «wobei wir gar nicht erwähnten, dass es sich um veganes Eis handelt.» Zizi Hattab vom Restaurant Kle in Zürich macht ihre Glace mit Mandelmilch: «Ich verwende Mandelmilch auch für Patisserie. Ich mag das dezente Aroma.» Hattab verarbeitet Mandeln aus Italien, denen sie beim Pürieren vergleichsweise wenig Wasser zuführt. «Daraus resultiert eine cremige Milch – die ideale Glacebasis.» Pascal Haag, Vegi-Koch und Rezeptentwickler, schmeckt wiederum die Kombination aus Sojarahm und Seidentofu am besten. «Vegane Glace ist nicht schwieriger herzustellen als Rahmeis», sagt er, «die Herausforderungen sind die gleichen: Sie soll cremig sein und nicht zu fest.»



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